Genetisch-determinierte Prognose oder prognostisch-relevante Genetik?
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Abstract
Die Humangenetik ist ein sehr junges medizinisches Fachgebiet. Dies ist begründet in den über lange Zeit limitierten Untersuchungsmöglichkeiten des Erbmaterials und daraus resultierend, dem begrenzten Wissen über genetische Ursachen von Erkrankungen. Jetzt jedoch, mit der (R)Evolution der Analysemethoden (Hochdurchsatz-DNA-Sequenzierungsansätze) ist die Untersuchung des individuellen Erbmaterials für Patienten im Rahmen der Regelversorgung möglich. Das hat Auswirkungen auf nahezu alle medizinischen Fachbereiche. Nicht nur, dass wir heute Erkrankungen, die durch einzelne Genveränderungen verursacht werden, einen Namen geben können. Wir verstehen jetzt die komplexen Interaktionen von genetisch-determinierten Vulnerabilitäten bzw. Resilienzen und externen Faktoren immer besser. Ermöglichen nun die umfassenden und schnellen Analysemethoden, der enorme Zuwachs an zur Verfügung stehenden hochqualitativen klinisch-genetischen Daten und der explosionsartige Informationsgewinn eine bessere Prognoseabschätzung für Gesundheit und Krankheit? Ja und Nein. Für eine Vielzahl von genetischen Erkrankungen ist eine evidenzbasierte Prognoseabschätzung möglich, auch wenn in der Regel der konkrete Verlauf der Erkrankung für das einzelne Individuum nicht vorhergesagt werden kann. Erfreulich ist, dass mit zunehmender Kenntnis Krankheits-modifizierender genetischer und nicht-genetischer Faktoren unsere Prognoseabschätzung immer präziser wird.Für vorhersagende (prädiktive) genetische Untersuchungen an Gesunden ist die Einschätzung der Prognose schwieriger. Dabei spielt diese vorhersagende Untersuchung asymptomatischer Personen eine immer wichtiger werdende Rolle: zum Beispiel in der Testung hinsichtlich einer Anlageträgerschaft für bestimmte Erkrankungen oder in der Bestimmung von genetischen Risikofaktoren für Erkrankungen. Das Wissen über individuelle Erkrankungswahrscheinlichkeiten auf Grundlage eines genetischen Befundes bietet die einzigartige Möglichkeit der präventiven Anpassung des klinischen Managements. Hierdurch lässt sich die Prognose dieser Erkrankungen wesentlich beeinflussen. So umfasst das Spektrum klinischer Implikationen einer prädiktiven Testung unter anderem die Möglichkeit von risikoreduzierenden Operationen, die Aufnahme in intensivierte Früherkennungsprogramme sowie Lebensstilmodifikationen zur Vermeidung risikobehafteter Umweltfaktoren. Somit dient die Bestimmung einer genetischen Konstellation nicht nur einer reinen Prognoseabschätzung, sondern ist vielmehr von wesentlicher prognostischer Relevanz.
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