Geschichtswissenschaft und Zukunftsvorstellungen
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Abstract
Der Beitrag fragt aus geschichtswissenschaftlicher Sicht nach der Bedeutung der Zukunft sowie nach der Funktion von Zukunftsvorstellungen als Quelle der Historiografie. Er umreißt dabei einerseits die historische Zukunftsforschung, deren Anfänge im Zweiten Weltkrieg liegen und deren Hochzeit in der westlichen Hemisphäre die 1950er und 1960er Jahre darstellen. Die Zukunftsforschung ist ein Disziplinen übergreifendes Arbeitsfeld, das sich insbesondere Fragen der Machbarkeit und Steuerung unterschiedlicher gesellschaftlicher Bereiche in der technisch-wissenschaftlich geprägten Moderne widmet. Der Beitrag hält überdies
fest, dass Geschichte im Rahmen linear verlaufender Zeit etwas ist, das Menschen aktiv mitgestalten bzw. überhaupt erst schaffen können. Durch die Verknüpfung mit einer linearen Zeitvorstellung überschneidet sich die Zukunft sowohl mit der vergangenen Zeit als auch mit der Gegenwart. Anhand eines Fallbeispiels wird gezeigt, wie stark sich Vorstellungen von einer „Welt in 100 Jahren“ in unterschiedlichen historischen Kontexten voneinander unterscheiden (hier konkret zu Beginn des 20. sowie des 21. Jahrhunderts) und wie sich diese Unterschiede produktiv in die Arbeit von Historiker*innen integrieren lassen. Als Quellen hierfür dienen ausgewählte Artikel zu den Stichworten „Krieg“ und „Frieden“ aus dem 1910 erschienenen Band Die Welt in 100 Jahren sowie aus dessen Remake bzw. Update, 2112 – die Welt in 100 Jahren von 2012. Der Beitrag zeigt exemplarisch zeitgenössische Erwartungshorizonte auf und zeichnet nach, wie offen und unter welchen herrschenden Mentalitäten die Zeit zwischen Gegenwart und der Verwirklichung möglicher Zukünfte vermessen wird. Er steht damit auch im übergeordneten Zusammenhang von allgemeineren Fragestellungen, die unsere modernen, sich stetig und in immer rascherem Tempo wandelnden Gesellschaften betreffen. Diese zeichnen sich nicht zuletzt durch Offenheit und damit die Möglichkeit des Eintretens überraschender Ereignisse aus und setzen dabei in hohem Maße auf eine Anpassungsfähigkeit ihrer Bürger*innen an mögliche Zukünfte.
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