Wandern und Methode: Thoreaus Essay „Walking“ (1862) im Lichte Gadamers
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Abstract
Die aristotelische Philosophenschule der „Peripatetiker“ (nach „peripatos“ - Wandelhalle), unser Reden von „Gedankengängen“, „Methoden“ („hodos“ - Weg) und „Erfahrung“, das chinesische „Dao“ (Weg, Straße): Allenthalben stoßen wir auf Spuren einer Intuition, die Denken mit physischer Bewegung verknüpft. Auf sehr verschiedene und letztlich doch verwandte Weise haben der amerikanische Essayist und Naturforscher Henry David Thoreau (1817-62) und Hans-Georg Gadamer (1900-2002), der Grandseigneur der philosophischen Hermeneutik in Deutschland, die Vorstellung vom Denken als Fortbewegung auf einem Weg formuliert. Thoreau knüpft dabei an die seit dem 18. Jahrhundert populäre Tradition des literarischen Spaziergangs an, während Gadamer sich kritisch mit dem Methodenbegriff der neuzeitlichen Wissenschaften auseinandersetzt. Beide plädieren für einen anti-positivistischen, hermeneutischen Begriff von Erfahrung und Wissen, der in jüngster Zeit in der Selbstreflexion der Wissenschaften beträchtlich an Boden gewonnen hat. Dabei setzt Thoreaus ‚Lesen mit den Füßen‘ einen besonders aktuellen, auf die ‚somatische Wende‘ in Linguistik, Philosophie und Psychologie vorausweisenden Akzent.