Das „Anthropozän“ - zur Konjunktur eines Begriffs
Identifier (Artikel)
Identifier (Dateien)
Abstract
Der Begriff „Anthropozän“ ist inzwischen zu einem „catchword“ auch jenseits der Geowissenschaften geworden. Wir leben, so die Kernaussage, in einer Phase der „geology of mankind“, d.h. menschliche Eingriffe in die natürliche Umwelt haben inzwischen ein solches Ausmaß angenommen, dass sie den Charakter eines eigenen geologischen Zeitalters aufweisen. Allerdings gehen verschiedene Autoren hinsichtlich der Reichweite des Begriffs unterschiedlich weit. In einem engeren Sinne lassen sich unter Anthropozän im Wesentlichen globale Umweltbelastungen und daraus resultierende Stoffkreislaufmodifikationen seit der industriellen Revolution oder gar erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstehen.
Neben der unklaren zeitlichen Reichweite des Begriffs wird auch die damit verbundene Entpolitisierung, der Rekurs auf „den Menschen“ als Verursacher, kritisiert. Nicht der Mensch oder die Menschheit sind zu einer erdgeschichtlichen Kraft geworden, sondern ganz konkrete Menschen, die sich bisher in den Sozial- und Wohlstandsökonomien der OECD-Welt eingerichtet haben. Das Anthropozän ist ein Ergebnis des Handelns machtvoller Akteure einer globalen Ökonomie und Politik.
In den Gesellschaftswissenschaften und damit auch in der Humangeographie brauchen wir den Begriff Anthropozän eigentlich nicht. In einer Phase des „consuming the planet to excess“ (Urry, 2010) sollten wir uns vielmehr um eine politische Geographie kümmern, welche raumrelevante Konflikte im Gesellschafts-Umweltsystem in einer von neoliberalem Denken und Handeln geprägten Ökonomie kritisch reflektiert.