Wenn Sichtbarkeit zum höchsten Gut wird und die Kämpfe um öffentliche Aufmerksamkeit und globale Geltung vor allem als Wettbewerb um Sichtbarkeit ausgetragen werden, ist der Schein zum ganz besonderen Wert avanciert. Wie etwas oder jemand erscheint, scheint mittlerweile allein entscheidend zu sein. Religiöse Praktiken erinnern an eine kritische Differenz, möglichst nicht zwischen Welt als Schein und Gott als Sein, sondern in der Welt zwischen Schein und Schein. Denn zum ominösen „Sein“ haben wir nur indirekt Zugang über die Differenzen von Schein und Schein. Wer sich zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und Teufel zu orientieren sucht, der muss Schein von Schein unterscheiden lernen.