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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa. Hof – Oper – Architektur
27 Feb 2020
Anhang
Das Ekhof-Theater in Gotha – Ein Kleinod deutscher Theaterkultur
Das »Barocke Universum Gotha« und mit ihm Schloss Friedenstein (Abb. 1) lässt wie nur wenige andere Schlösser oder Museen vergangene Jahrhunderte lebendig werden. Historische Gemächer, Schlosskirche und Hoftheater haben sich mit einzigartigen Sammlungen zu Kunst, Natur und Geschichte nahezu unverändert an ihrem authentischen Ort bewahrt. Nicht unerwähnt bleiben dürfen dabei die Forschungsbibliothek Gotha im Ostflügel, die nicht nur die reichen, ehemals herzoglichen Bücherschätze verwahrt, und das Thüringische Staatsarchiv, das mit den Dokumenten und Urkunden seit Ernst dem Frommen das lebendige Gedächtnis des Schlosses bildet. So können die Besucher und Gäste bis heute eine barocke Residenz mit ihren Einrichtungen und Sammlungen besichtigen und im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen und Festlichkeiten erleben.
Ein Höhepunkt ist aber zweifelsohne das kleine Hoftheater (Abb. 2), das sich seit dem 18. Jahrhundert nahezu unverändert erhalten hat und bis heute bespielt wird. Im September 1681 ließ der regierende Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1646–1691) durch die Gothaer Zimmerermeister Caspar Lindemann und Hans ­Hoffmann in das Ballhaus die Bühne einbauen, die 1687 fertig gestellt wurde. Damit kam auch eine Kulissenverwandlungsmaschine zum Einsatz, deren Typ Giacomo Torelli Mitte des 17. Jahrhunderts in Italien erfunden hatte. Diese Maschine ist heute noch in wesentlichen Teilen original erhalten. Im Alter einmalig, liebevoll restauriert und ergänzt, stellt sie den wahren Wert des Theaters dar. Damit bewahrt das Ekhof-Theater in Gotha eine Einmaligkeit, die den Besuchern im Rahmen des Ekhof-Festivals in den Sommermonaten bis heute präsentiert wird. Daher lag es nah, diesen Ort mit seinem einmaligen Ambiente als Tagungsraum zu wählen und im Rahmen einer Führung ausführlich vorzustellen.
Die Geschichte des Theaters begann mit dem Regierungsantritt von Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha (1601–1675) im Jahr 1640. Im Rahmen der Weimarer Teilung entschied er sich mit seinen Brüdern in kriegerischen Zeiten, das väterliche Gebiet zu teilen und damit langfristig zu sichern. Herzog Ernst (genannt der Fromme) wählte Gotha als Regierungssitz, wobei eine entsprechende Residenz fehlte. Die ehemalige Residenz der Kurfürsten, die Burg Grimmenstein, war bereits knapp 100 Jahre zuvor im Zusammenhang mit den »Grumbachschen Händeln« auf kaiserlichen Befehl gesprengt worden. Trotz kriegerischer Auseinandersetzungen entschied sich der neue Regent recht schnell, eine neue Residenz zu errichten und ihr gerade deshalb auch den programmatischen Namen »Friedenstein« zu geben. Ein steinernes Symbol des Friedens, von dem aus für ebenjenen gekämpft und dieser gesichert werden sollte. Zeitgenossen wie auch Nachkommen erinnert daran ein zentrales Relief über dem Hauptportal, der »Friedenskuss«, auf dem sich Justitia und Pax in den Armen liegen und küssen. Darüber der Spruch »Friede ernehret, Unfriede verzehret«.
Mit dem Bau von Schloss Friedenstein (Abb. 3) setzte Herzog Ernst der Fromme zugleich einen damals neuen Bautypus um. Es gilt bis heute als die größte frühbarocke Schlossanlage – eine riesige mehrflügelige Anlage, deren Bauteile entsprechend ihrer Wichtigkeit und Funktion gegliedert sind. Neben den Repräsentationsräumen und Gästezimmern – einschließlich eines riesigen Festsaales – gehörten von Beginn an das Archiv, als Symbol der weltlichen Macht, und die Schlosskirche, als Symbol der geistlichen Macht, zum Ensemble. Aber auch Verwaltung, Marstall, Zeughaus, Bibliothek und Münzprägestätte sowie natürlich sämtliche Einrichtungen zum Unterhalt des Hofes beherbergte das Schloss. Zusätzlich befand sich im Ostturm auch ein Saal, der für kleinere Aufführungen genutzt wurde. Das Theater, wie wir es heute kennen, gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Als Schloss Friedenstein im Jahr 1654 vollendet wurde, befand sich in dem Raum des heutigen Theaters ein Ballhaus, in dem die Kinder Herzog Ernsts des Frommen Sport trieben. Dies war durchaus nicht ungewöhnlich, da der Vater großen Wert auf eine gute Ausbildung seiner Kinder legte und neben einem umfangreichen Stundenplan auch die sportliche Ertüchtigung förderte. So erlebte auch der spätere Nachfolger Friedrich, sein späteres Theater zunächst als Ort des Federballspieles.
Mit dem Tod Herzog Ernst des Frommen im Jahr 1675 veränderte sich die Situation des noch jungen Herzogtums dramatisch. Das übliche »Recht des Erstgeborenen« galt nicht und mit sieben Söhnen war die Nachfolge keinesfalls klar geregelt. Jeder verteidigte und pochte auf seinen Regierungsanspruch und verlangte ein eigenes Herrschaftsgebiet. Das Aufsplitten des Herzogtums in sieben Teile war unausweichlich. Jeder Bruder regierte fortan in einem eigenen, teilweise sehr kleinen Herzogtum, baute sich eine eigene Residenz und Hofhaltung, eine eigene Kunst- und Naturaliensammlung, Theater und Militär usw. auf. Die bis heute legendäre »Thüringer Kleinstaaterei« erreichte damit einen neuen Höhepunkt, die aber zugleich auch die Grundlage des heute so einmaligen kulturellen Erbes Thüringens ist. Denn nicht die militärische Macht galt es zu zeigen, sondern durch die Förderung von Kunst und Wissenschaft versuchte man seither sich gegenseitig zu überbieten.
Der älteste Sohn Ernsts des Frommen, Friedrich I. (Abb. 4), übernahm somit ab 1675 die Regierung eines stark dezimierten Herzogtums Gotha-Altenburg und das väterliche Schloss. Den Vorteil, bereits eine prächtige Residenz zu haben, nutzte er und ließ das Schloss und die Sammlungen umfangreich ausbauen. So entstanden die noch heute erhaltenen herzoglichen Appartements im Nordflügel, für die aber der riesige Festsaal »geopfert« werden musste. Davon blieb nur ein deutlich kleinerer, aber nicht minder prächtiger Saal übrig, der fortan als Tafelgemach diente. Für die Sommermonate ließ der Herzog sich im Norden Gothas das kleine Schloss Friedrichswerth erbauen, das heute noch erhalten und ein typisches barockes Lustschloss mit Parkanlage ist.
Die höfischen Vergnügungen nahmen, immer mit Blick auf den Glanz des französischen Hofes, zu dieser Zeit deutlich zu. Ein festes Element dieser Festlichkeiten war immer auch das Theater, weshalb auch in Gotha sehr rasch ein eigenes Hoftheater gebraucht und mit dem Ballsaal dafür der geeignete große Raum im Schloss gefunden wurde. Bereits im April 1683 kam zum Geburtstag der Herzogin Christine (1645–1705) die erste große frühbarocke Oper Die geraubete Proserpina auf die Bühne und eröffnete einen Reigen bedeutender Opernaufführungen am Gothaer Hof. Diese Aufführungen dienten nicht allein der Unterhaltung der Hofgesellschaft, sondern in erster Linie dem Repräsentationsbedürfnis des Gothaer Fürstenpaares und seiner Huldigung. Die Darbietungen bedurften immer eines Anlasses. Das konnten ein fürstlicher Geburtstag, eine Hochzeit oder Kindstaufe, ebenso der Besuch verwandter oder befreundeter Herrscherhäuser sein. Daher spielte man unregelmäßig, nicht zu festgelegten Zeiten. Als Darsteller traten neben dem Sängerpersonal der Hofkapelle zuweilen Angehörige des Hofes, einschließlich der herzoglichen Familie, auf (Abb. 5).
Nur die bedeutendsten Wanderkomödiantentruppen bekamen eine Zulassung zum Spiel bei Hofe. So weilten 1676 der erste bedeutende deutsche Prinzipal, Johannes Velthen (1640–1697), und 1745 die berühmte Theaterreformerin Caroline Neuber mit ihrer Truppe in der Residenzstadt. Unter den Komponisten der frühen Gothaer Theaterzeit ragen Wolfgang Carl Briegel (1626–1712), Wolfgang Michael Mylius (1636–1713) sowie Gottfried Heinrich Stölzel (1690–1649) hervor, die als langjährige Leiter der Hofkapelle auch die Musik zu den dramatischen Aufführungen schufen, während die Texte mitunter vom Gothaer Konrektor Johann Georg Heß (1613–1694), bzw. von Stölzel selbst stammten. Nach 1732 und mit dem Regierungsantritt von Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg mit seiner Gemahlin Luise Dorothea bestimmten französische Komödien und italienische Intermezzi den Spielplan. Die Herzogin pflegte zudem den intensiven Kontakt zum französischen Königshof und dem bedeutenden Philosophen Voltaire, der allein acht Wochen in Gotha verbrachte. Er bezeichnete den Gothaer als den »Hof der Musen und Grazien«.
Der heutige Theaterraum ist insgesamt 24 Meter lang, elf Meter breit und ca. acht Meter hoch. Das Bühnenportal, auch Proszeniumsbogen genannt, teilt ihn genau in der Mitte. Damit ist die Bühne (Abb. 6) ebenso groß wie der Zuschauerraum. Ursprünglich nur mit einem Rang ausgestattet, erhielt der Zuschauerraum im Jahre 1774 die ­oberen Galerien. Heute fasst das Theater bei voller Besetzung 165 Besucher. Frühbarocke Opern lebten von der Verwandlung der Bühnenbilder mit Hilfe einer ausgeklügelten Maschinerie. Diese beförderte die Kulissenflügel eines abgespielten Bildes synchron aus dem Blickfeld der Zuschauer hinaus, während ein neues Bild in den sichtbaren Bereich der Bühne gezogen wurde. Drei große Achsen unter der Bühne, auch Wellbäume genannt, und 32 schmale zweirädrige Kulissenwagen ermöglichten bei offenem Vorhang diesen spektakulären Vorgang. Mit den Kulissenflügeln verwandelten sich zugleich die übrigen Teile des Bühnenbildes, Soffitten und Rückprospekt genannt. Besonders knapp war der Platz in der Ober- und Unterbühne, sodass ungewöhnliche Anordnungen der Seil- und Rollensysteme entwickelt werden mussten. Mit knapp 1,60 Metern ist die Unterbühne zudem sehr niedrig. Der Bühnenboden steigt nach hinten leicht an, um eine möglichst perfekte Illusion des Raumes zu schaffen. Die Verwendung von Versenkungen, Wolkenwagen, Blitzen, Donner und anderen Effekten boten viel Abwechslung. Kostbare Kostümierung der Darsteller sorgte für weitere Sinnenreize. Der Inhalt der Texte trat dabei oft in den Hintergrund.
Vergleichsweise spärliches Licht spendete die Beleuchtung hinter den einzelnen Kulissenflügeln (Abb. 7) und am Proszeniumsbogen. Die Akteure stellten sich darauf ein und präsentierten sich bevorzugt im Rampenlicht, was bis heute sprichwörtlich überliefert ist. Nur noch in Gotha ist eine originale Rampenbeleuchtung dieses Alters erhalten, die durch Versenkung in die Unterbühne eine Nachtstimmung erzeugen konnte. Als Leuchtmittel dienten im Bühnenbereich besonders Rüböl und Unschlitt, Kerzen aus teurem Bienenwachs kamen nur im Zuschauerraum und bei der Rampenbeleuchtung zum Einsatz. Das offene Licht und die Anwendung von pyrotechnischen Effekten waren in vielen Theatern die Ursache für katastrophale Theaterbrände. In der Geschichte des Gothaer Schlosstheaters ist ein solcher nicht verzeichnet, da umfassende Brandschutzmaßnahmen seit der ersten Vorstellung im 17. Jahrhundert zur Selbstverständlichkeit gehörten. Somit blieb das Theater bis heute in so beeindruckender Vollständigkeit erhalten.
Weltbekannt wurde dieses Kleinod deutscher Theaterkultur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als im Jahr 1774 der »Vater der deutschen Schauspielkunst«, Conrad Ekhof (1720–1778), mit der Wanderkomödiantentruppe des Abel Seyler (1730–1800) aus Weimar nach Gotha kam (Abb. 8). Ekhof galt als größter dramatischer Schauspieler, als der »Nestor« der realistischen Schauspielkunst, die sich zu dieser Zeit erst herausbildete. Bereits 1753 hatte er mit der Begründung der »Akademie der Schönemannschen Gesellschaft« während eines Aufenthaltes am Schweriner Hof den ernsthaften Versuch unternommen, das Schauspielwesen zu einer gesellschaftlich anerkannten Kunst zu kultivieren und damit auch den Schauspieler als Künstler zu etablieren. Dieser Mission widmete sich Ekhof während seines gesamten Lebens. 1767 war er in Hamburg an der Schaffung eines Deutschen Nationaltheaters beteiligt, Gotthold Ephraim Lessings (1729–1781) »Hamburgische Dramaturgie« legt von der vorbildhaften Schauspielkunst Ekhofs beredtes Zeugnis ab.
In Gotha begründete der nimmermüde Theaterreformer ab 1774 das erste deutsche stehende Hoftheater von Bedeutung, dessen künstlerischer Direktor er wurde. Er legte damit die Fundamente eines modernen Theaterbetriebes, der bis heute in seinen Grundzügen erhalten blieb. Die Besonderheit dieses Hoftheaters bestand darin, dass nicht die gesamte Truppe unter einem Prinzipal am Hof ein Engagement fand, sondern jeder einzelne Schauspieler einen Vertrag mit der herzoglichen Verwaltung hatte. Das erhob die Schauspieler in den Rang von Hofbeamten und verbesserte ihr Ansehen wesentlich. Gleichzeitig sicherte es die Schauspieler finanziell ab und ermöglichte auch den Wechsel einzelner Mitglieder des Ensembles. Außerdem legte Ekhof eine umfangreiche Bibliothek mit Programmen und Informationen zum Theaterwesen an und gab den »Gothaer Theaterkalender« heraus, der in regelmäßigen Abständen über die aktuellsten Entwicklungen und Themen im Theaterwesen berichtete und damit auch den Ruf des Gothaer Hofes nach außen trug. Dies führte dazu, dass die Besucher aus der gesamten Region nach Gotha pilgerten, um den zahlreichen Aufführungen, die sogar täglich mehrfach stattfanden, beizuwohnen. Ein Hoftheater, das jedem offenstand, war zu diesem Zeitpunkt ungewöhnlich. Dem großen Zuspruch entsprechend, wurde in dieser Zeit der Zuschauerraum umgebaut und mit zwei Rängen versehen, die zusammen mit Parkett knapp 400 Stehplätze boten. Der Herzog selbst bekam zwar eine Loge, wohnte den Aufführungen jedoch nur selten bei, weshalb die Loge eher eine symbolische Funktion hatte und auf die eigentliche Funktion als Hoftheater hinwies. Neben dem barocken Bühnenraum, ist deshalb auch der noch heute erhaltene Zuschauerraum aus Ekhofs Zeiten eine Besonderheit des Theaters (Abb. 9).
Zusätzlich zu den unzähligen Schauspielaufführungen gehörten weiterhin Opern zum Programm. Allein in den Jahren 1775 bis 1779 wurden insgesamt 175 Stücke in 872 Vorstellungen aufgeführt, darunter 30 Opern, 14 Tragödien und 8 Dramen. Die Stücke stammten von Lessing, Molière, Shakespeare, Voltaire und Racine. Bedeutendster Komponist der Ekhof-Zeit war Georg Anton Benda (1722–1795), der bereits seit 1750 Hofkapellmeister in Gotha war. Er ist der Schöpfer des deutschen Duodramas, einer Kunstform, in der Musik und gesprochenes Wort gleichberechtigt sind. Die Uraufführung des Duodramas Ariadne auf Naxos 1775 sorgte international für Aufsehen und festigte den Ruf der Gothaer Bühne als der führenden in Deutschland neben Hamburg und Wien.
Ekhof bildete am Gothaer Hof nicht nur Schauspieler heran, unter denen August Wilhelm Iffland (1759–1814) der Bekannteste wurde, sondern sicherte mit einer Pensionskasse die Altersversorgung derer, die nicht mehr auftreten konnten. Seine Absicht, diese Pensionskasse auf ganz Deutschland auszuweiten, wurde 1778 durch seinen frühen Tod im Alter von nur 58 Jahren zunichtegemacht. Im Jahr darauf löste der Herzog das Theater auf, zumal die finanziellen Belastungen für den Hof zu groß geworden waren. Die meisten Darsteller gingen nach Mannheim, um dort u. a. in der bedeutsamen Uraufführung von Schillers Die Räuber in Hauptrollen zu wirken.
Nach der Auflösung des Gothaer Hoftheaters im Herbst 1779 wurde das Theater bis 1827 kaum noch genutzt, aber blieb zum Glück erhalten. Zeitweilig diente der Zuschauerraum ab 1805 dem neuen Hofkapellmeister Louis Spohr als Konzertsaal und erhielt eine neue zeitgemäße Ausmalung (Abb. 10). Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha (1784–1844) gründete 1827 schließlich das zweite Gothaer Hoftheater, dessen Spielstätte zunächst bis 1839 die alte Ekhof-Bühne blieb. Jedoch häuften sich die Beschwerden des Ensembles, dass man auf dieser alten Bühne mit der völlig veralteten Technik nicht mehr spielen könnte und der Druck auf den Regenten ein neues modernes Theatergebäude zu bauen wuchs. 1839 wurde am heutigen Ekhof-Platz das Herzogliche Hoftheater, nach den Plänen von Karl Friedrich Schinkel, eröffnet. Ganz im klassizistischen Stil errichtet, entsprach es im Zuschauer- und Bühnenraum dem fast zeitgleich entstandenen Coburger Theater, was einen unkomplizierten Wechsel der Produktionen und Ausstattungen zwischen beiden Residenzen ermöglichte. Leider wurde dieser Theaterbau im Zweiten Weltkrieg durch einen Brand zerstört und später die Ruine abgetragen.
Letztlich blieb durch diesen Neubau das alte Hoftheater von großen Umbaumaßnahmen verschont und geriet mehr und mehr in Vergessenheit. Bereits 1825 wurden jedoch (leider) der Fundus und die Kulissensammlung aufgelöst. Erst nach 1855 gab es im Theater noch einige wenige Liebhaberaufführungen Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893) sowie Memorialvorstellungen. Sie fanden weitgehend ohne Verwendung der alten Bühnenmaschine statt, deren Bauteile jedoch erhalten blieben (Abb. 11).
Im Gegensatz zum neuen Herzoglichen Hoftheater, blieb das Schloss mit seinen Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg glücklicherweise unzerstört. Auch größere ­Plünderungen der Einrichtung – vor allem der Bühnenbereich hätte Unmengen an gutem Feuerholz geboten – konnten verhindert werden. Mehrere Versuche, das Theater im Schloss Friedenstein wieder zu beleben, blieben in den Ansätzen stecken, zumal bis zur endgültigen Beseitigung der Ruine des neuen Hoftheaters die Hoffnung auf einen Wiederaufbau bestand. 1952 erhielt das Schlosstheater einen neuen Farbanstrich im Zuschauerraum und wurde zunächst zur Besichtigung als Theatermuseum freigegeben. Einer ersten wissenschaftlich fundierten Restaurierung unterzog man den Zuschauerraum von 1966 bis 1968. Er bekam das Aussehen der Ekhof-Zeit zurück und erhielt die noch heute vorhandene weiß / rote Bestuhlung. Leider musste damals im Bühnenbereich ein massiver Stahlträger eingezogen werden, der den Abbau der historischen Flugmaschine zur Folge hatte. Am 5. Oktober 1968 wurde das Schlosstheater schließlich als »Ekhof-Theater« mit einem Festakt wiedereröffnet, wobei die Bühnenmaschine mit den Kulissenflügeln nicht wiederhergestellt worden war. Seitdem dient diese Spielstätte wieder ihrer alten Bestimmung, jedoch ohne eigenes Ensemble und die Bühnenmaschine. Theater und Orchester der Stadt gastierten fortan hier und belebten das Kleinod im Schloss.
In den 1990er Jahren wurde nach neuen Lösungen zur Bespielung des Theaters gesucht und ein Konzept zur Instandsetzung der seit 1839 außer Betrieb gesetzten Bühnenmaschine erarbeitet. So begann die Restaurierung der historischen Bühnentechnik, deren Ziel die völlige Funktionsfähigkeit dieser einmaligen barocken Maschine war. Im Sommer 1996 fand schließlich zum ersten Mal das »Ekhof-Festival« statt, das bis heute von Juni bis August das Theater bespielt und sich besonders der Pflege der darstellenden Kunst des 18. Jahrhunderts widmet. Neben den Opern- und Theateraufführungen sind hier auch Konzerte und Lesungen von Werken des 16. bis 18. Jahrhunderts zu erleben.
Dabei galt und gilt immer die möglichst hohe Authentizität zum einmaligen Ort aufrechtzuerhalten, sodass den Besuchern ein ganz besonderes Erlebnis und eine »Zeitreise« in das 18. Jahrhundert ermöglicht wird. Bis auf das offene Feuer und die damals üblichen Stehplätze erleben die Zuschauer die Aufführungen wie vor 300 Jahren. Zweifelsohne der Höhepunkt einer jeden Vorstellung ist der Einsatz der Bühnenmaschinerie, die wie vor 300 Jahren mit reiner Muskelkraft von bis zu 15 starken Kulissenschiebern in Gang gesetzt wird (Abb. 12): Als Signal ertönt ein Glöckchen und die Seitenkulissen, das Rückprospekt und die Sofitten setzen sich, für den Zuschauer nahezu magisch, mit knarrenden und quietschenden Geräuschen in Bewegung. Innerhalb von wenigen Sekunden verwandelt sich das Bühnenbild in eine anderes. Aus Mangel an historischen Kulissen wurden in den letzten Jahren mehrere neue Teile nach historischen Vorlagen angefertigt. Der Fundus umfasst heute acht verschiedene Szenen – von Festsaal bis Gesindeküche, vom Park bis zur Schlucht sowie Kerker und Zimmer. Heute wird auch wieder die historische große Versenkung in der Bühnenmitte eingesetzt, um Gegenstände und Schauspieler wie von Zauberhand auf der Bühne erscheinen und verschwinden zu lassen. Eine Windmaschine und ein Donnerschacht ermöglichen ­zusätzlich noch die authentischen Geräuschkulissen (Abb. 13). Passende Kostüme und Requisiten runden dieses Theatererlebnis ab.
Gerade wegen seiner Geschichte und der heute dementsprechenden Nutzung gehört das Ekhof-Theater Gotha auch zu den Gründungsmitgliedern der »Gesellschaft der historischen Theater Europas« und ist Teil der europaweiten »Route der Historischen Theater«. Seit 2010 wird das »Ekhof-Festival« durch die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha organisiert und ist inhaltlich eng an die Ausstellungsprojekte gebunden (Abb. 14). Als Höhepunkt dient das Barockfest am letzten Wochenende im August, bei dem der Schlosshof mit einem historischen Markt, ja die komplette Anlage mit unzähligen Konzerten, Führungen, Tanz und Schauspiel an allen Orten belebt werden. Über 500 Teilnehmer in historischen Kostümen sorgen für die stimmungsvolle Wiederbelebung der barocken Residenz und mit etwas Glück begegnet man sogar dem Herzogspaar mit seinem Hofstaat in ihrer Loge des Theaters.
In den nächsten Jahren werden im Rahmen der Gesamtsanierung des Schlosses der Eingangsbereich, die sanitären Einrichtungen und die Dauerausstellung zum Theater restauriert bzw. umgebaut. Gleichzeitig besteht die Hoffnung, den Stahlträger im Bühnenbereich aus den 1960er Jahren wieder entfernen und dann vielleicht sogar die historische Flugmaschine rekonstruieren zu können. Dies wäre zweifelsohne ein weiteres Highlight dieses einmaligen Theaters mit seiner originalen Bühnenmaschine und des Ekhof-Festivals, die jährlich tausende begeisterte Besucher aus ganz Deutschland und dem Ausland anziehen.
Abbildungsnachweis
Abb. 1, 13–14
Stiftung Schloss Friedenstein, Foto: Lutz Ebhardt
Abb. 2, 9
Stiftung Schloss Friedenstein, Foto: Bernhard Hartmann
Abb. 3–8, 10
Stiftung Schloss Friedenstein
Abb. 11, 12
Stiftung Schloss Friedenstein, Foto: Adrian Leeder
Literatur
Dobritzsch 1999: Dobritzsch, Elisabeth: Barocker Bühnenzauber. Das Ekhof-Theater in Gotha, Gotha 1999.
Dobritzsch / Schaubs / Winter 2013: Dobritzsch, Elisabeth; Schaubs, Christine; Winter, Sascha: Der Pharao von Gotha. Oberhofmarschall Hanß Adam von Studnitz (1711–1788) (= Edition Residenzkultur, Band 1), Gotha 2013.
Forschungsbibliothek Gotha 2011: Das Barocke Universum Gotha – Schätze von Schloss Friedenstein aus Archiv, Bibliothek und Museen, hg. von der Forschungsbibliothek Gotha, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha und Thüringisches Staatsarchiv, Gotha 2011.
Freitag / Kolb 2016: Freitag, Friedegund; Kolb, Karin (Hg.): Die Ernestiner – Eine Dynastie prägt Europa. Katalog zur, Thüringer Landesausstellung in Gotha und Weimar, 24.04. – 28.08.2016, Dresden 2016.
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha 2007: Museumsführer – Museen der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, München / Berlin 2007.
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha 2012: Schlossmuseum Gotha – Herzogliche Gemächer, Kunstkammer, Ekhof-Theater, Halle / Saale, 2012.
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha 2004: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha (Hg.): Die Gothaer Residenz zur Zeit Herzog Ernsts II. von Sachsen – Gotha – Altenburg (1772–1804), Gotha 2004.
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha 2008: Unter die Presse und ins Publikum – Der Schriftsteller, Publizist, Theaterintendant und Bibliothekar Heinrich August Ottokar Reichard, Tagung und Sonderausstellung im Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde Gotha, Tagungsband und Katalog, Gotha 2008.
Anhang
Das Ekhof-Theater in Gotha – Ein Kleinod deutscher Theaterkultur
Marco Karthe
Abbildungsnachweis
Literatur