Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa. Hof – Oper – Architektur
27 Feb 2020
DOI: 10.17885/heiup.469
Aufführungsgeschichte und -praxis musiktheatraler Inszenierungen
Zur Einführung
Nicht nur in der baulich-technischen Umsetzung des Bühnenraums stand der Herrscher im Blickpunkt des Interesses. Anspruch und Herrschaftsinszenierung zeigten sich ebenso in den konkreten musiktheatralen Inszenierungsformen, wie der Veröffentlichung bildlicher und textlicher Medien, die vor allem wichtige Festaufführungen in der höfischen Öffentlichkeit bekannt machen, als herausragendes Ereignis feiern und deren Vorbildhaftigkeit dokumentieren sollten. Ein herausragendes Beispiel stellt, wie Klaus Pietschmann ausführt, mit Sicherheit die Dresdner Hochzeitsoper Il Paride von Giovanni Bontempi dar, die die neue kulturpolitische Ausrichtung des Hofes demonstriert und als Partitur im Druck erschien.
Zahlreiche Aufführungen des höfischen Musiktheaters sind uns mittels Festberichten, aber auch erhaltener Archivalien – Schriftstücken und Zeichnungen – gut überliefert. Dabei geht es nicht nur um die Inszenierung der Stücke, sondern auch um die Aufführungsorte und -anlässe. Die meisten Autorinnen und Autoren dieses Kapitels führen Beispiele von ganz unterschiedlichen Aufführungsorten an: einem Garten, einem Theater oder Opernhaus, einem Vorzimmer der privaten Gemächer in der Residenz oder andernorts.
Die geschaffenen Bühnenräume sollten spezifisch und spektakulär zugleich sein, immer wieder wurden zugleich unterschiedliche Räume mit einbezogen, wie etwa der Aufsatz von Carlos María Solare demonstriert, der sich mit dem spanischen Musiktheater des Siglo de Oro beschäftigt und die genuin spanische Entwicklung vor Augen führt. Nicht nur am spanischen Hof war die musiktheatrale Entwicklung unterschiedlichen Moden unterworfen, sollte zugleich im internationalen Vergleich Maßstäbe setzen bzw. bestehen können. Auch ein kleiner Hof wie der Bayreuther war in der Lage, hier mitzuhalten und einen Carlo Galli Bibiena als Bühnenbildner zu beschäftigen.
Je nach Aufführungsort war die (zugelassene) Öffentlichkeit eine andere – im Garten gab es ein anderes Publikum als im privaten Appartement. Der Aufführungsort spielte eine große Rolle bei der dramatischen Gestaltung des Stoffes. Zudem wurden Stücke auch gezielt für bestimmte Aufführungsorte geschrieben. Je nach Publikum waren Aufwand und Inhalt verschieden. Wie bereits mehrfach ausgeführt, sollte der getriebene Aufwand die Bedeutung des Hofes manifestieren, wie Versailles, Madrid oder Wien verdeutlichen, wo die Bühne des Musiktheaters dazu diente, ganz konkrete Herrschaftsansprüche zu artikulieren, die es in der realen Politik umzusetzen galt.
Der Herrscher und seine Entourage brachten in die Inszenierungen oft ganz konkrete Vorstellungen ein. Diese offenbaren sich in Auswahl, Kompositionsauftrag oder Ausführung bestimmter Bühnenwerke. Deutlich wird dies etwa in Spanien, wo es unter den spanischen Bourbonen ab 1730 italienische Opernaufführungen gab. Oft kam es vor, dass sich nach Herrscherwechseln die Schwerpunkte verschoben wie etwa im Falle Maria Theresias in Wien. Aufgrund einer u.a. französisch beeinflussten Theatertradition, die von ihrem Mann Franz I. Stephan etabliert wurde, erfolgte in Wien in der Mitte des 18. Jahrhunderts zudem ein zunehmender Rückzug des Herrschers aus dem Parkett in die Loge – zumindest im öffentlichen Raum. Bei privaten Aufführungsorten wurde der gute Platz vor der Bühne beibehalten; während seit dem 18. Jahrhundert professionelle Sänger und Mimen die Bühnen dominierten, waren im privaten Bereich nach wie vor auch Mitglieder des Hofes oder sogar der Herrschfamilie selbst die Akteure. Greta Haenens Beitrag zeigt auf, dass Kaiser Leopold I. eine umfangreiche Musikbibliothek zur persönlichen Nutzung anlegte, die einen großen Bestand an musikdramatischen Werken aufweist. Einzelne von ihnen komponierte der Kaiser selbst. Zahlreiche Werke weisen sog. Einlagearien von ihm auf.
Aufführungsgeschichte und -praxis musiktheatraler Inszenierungen
Zur Einführung