Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa. Hof – Oper – Architektur
27 Feb 2020
DOI: 10.17885/heiup.469
Das Theaterboskett im Großen Garten Hannover-Herrenhausen1
Das Theaterboskett im Großen Garten Hannover-Herrenhausen ist, nach derzeitigem Stand der Forschung, das erste Heckentheater in Deutschland und damit ein in der Gartenkunstgeschichte einmaliges Zeugnis mit eigenständiger Umsetzung der wesentlichen Elemente einer barocken Kulissenbühne in einen Gartenraum. Im Auftrag der Herrenhäuser Gärten wurde 2007 durch die Historikerin Heike Palm eine Studie zur Geschichte und historischen Zuordnung des heutigen Bestands erstellt.2 Sie kommt dabei zu dem Ergebnis, dass das Theaterboskett in Hannover-Herrenhausen wegweisende Bedeutung für die Entstehung von Theaterräumen in nachfolgenden Gartenanlagen hatte: »Da diese Gestaltungsweise vielfach nachgeahmt wurde, kommt der Bühne in Herrenhausen eine Schlüsselstellung bei der Entwicklung des Typus ›Heckentheater‹ zu. Das Heckentheater in Herrenhausen zeichnete sich durch seine Dimension, durch seine reiche Ausstattung, die gestalterische Verknüpfung von Zuschauerraum und Bühne sowie die individuelle Einbindung in das hierarchische Gefüge des Gartens aus«.3
Die Studie der Historikerin Heike Palm ist Grundlage für das vom Büro Dittloff + Paschburg, Landschaftsarchitekten 2008/2009 erarbeitete Entwicklungskonzept für das Theaterboskett im Großen Garten Hannover-Herrenhausen,4 in dem es auch um die gartendenkmalpflegerische Bewertung des heutigen Zustands des Theaterbosketts in Bezug auf die Veränderungen seit der Entstehung 1689–1691 geht. Begleitet wurde der Auftrag durch eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Herrenhäuser Gärten, der städtischen Denkmalpflege, des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, des Zentrums für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover und des Fachbereichs Umwelt und Stadtgrün der Landeshauptstadt Hannover.
Schwerpunkte der gartendenkmalpflegerischen Auseinandersetzung sind dabei die räumlichen Qualitäten des Theaterbosketts unter Berücksichtigung der ursprünglichen und der heutigen Nutzungen. Im Folgenden werden daher die wesentlichen Raum bildenden Elemente der ursprünglichen barocken Gestaltung und deren Veränderungen in der Folgezeit bis zum heute überkommenen Bestand analysiert.
Historische Einordnung
Der Große Garten von Hannover-Herrenhausen ist eine der herausragenden barocken Gartenanlagen in Deutschland mit internationaler Bedeutung als Kulturdenkmal. Die Anlage geht auf ein 1638 von Herzog Georg von Calenberg angelegtes Vorwerk zurück, das in den Regierungszeiten der Herzöge Christian Ludwig (1641–1648) und Georg-Wilhelm (1648–1665) sowie Herzog Johann Friedrich (1665–1679) ausgebaut wurde und nach 1666 als Sommerresidenz diente.
1692 erreichte diese in Hannover regierende Linie der Welfen die Rangerhöhung ihres Territoriums zum Kurfürstentum und stieg damit in den Kreis der führenden Staaten des Deutschen Reiches auf. Schon im Vorfeld hatten Herzog Ernst August (1629–1698, reg. 1680–1698) und seine Gemahlin Sophie (1630–1714) ihr Residenzschloss an der Leine und ihre Sommerresidenz in Herrenhausen ausbauen lassen, um ihren absoluten Status und Anspruch zu demonstrieren. Das Leineschloss erhielt einen Festsaal (»Rittersaal«).
Schon vor der Regentschaft von Herzog Ernst-August wurde ab 1678 im Residenzschloss mit dem Bau eines Hoftheaters, dem sogenannten »Comoedienhaus«, begonnen, in dem Theater- und Opernaufführungen gegeben wurden. Die Proszeniumslogen im ersten Rang waren der herzoglichen Familie vorbehalten. »Eß haben des Herrn Hertzogs Dchtl. Ihre Loge in der … wanderung zur rechten, und die Oberhofmarschallin Madame de Platte die Ihrige daran, gerad gegen über zur lincken stehen der Frau Hertzogin Drchlt. (Loge)«.5 Also saß Ernst August neben seiner Mätresse, seine Gattin gegenüber. Herzog Ernst August liebte die Oper und den venezianischen Karneval. Immer wieder blieb er mehrere Monate in Venedig, wohnte im prachtvollen Palazzo Foscari und gab hohe Summen aus. In fünf Theatern hatte der hannoversche Hof mehrere Logen Jahre hindurch auf Dauermiete zur Verfügung.
Auf Drängen der Landesstände aufgrund der immensen Kosten für die Reisen fuhr Ernst-August 1686 letztmalig in die Lagunenstadt. Von nun an fand der Venezianische Karneval an der Leine statt. Zwischen 1687 und 1690 ließ er dann als Anbau an das Residenzschloss eines der prächtigsten Opernhäuser in Europa errichten und schon 1689 nach nur vierzehn Monaten Bauzeit mit Agostino Steffanis Oper Enrico Leone einweihen. Bei einer Einwohnerzahl Hannovers von etwa 13.000 Einwohnern hatte das Opernhaus eine Kapazität von 1.300 Plätzen.
Kaum waren die Projekte im Leineschloss beendet, konzentrierten sich die Arbeiten in den folgenden 20 Jahren auf Herrenhausen. 1689 bis 1691 entstand das Theaterboskett, in den folgenden Jahren Galerie, Großes Parterre, Bosketts, Graft und der Noveau Jardin. Bei seiner Vollendung 1708 war die Anlage auf die doppelte Größe von 50 Hektar angewachsen und trug seinen Namen »Großer Garten« mit vollem Recht, hatte er doch in etwa die Ausdehnung der gesamten Altstadt Hannovers.6
Ernst Augusts und Sophies Sohn, Kurfürst Georg Ludwig, ab 1714 in Personalunion auch König Georg I. von Großbritannien, und sein Nachfolger Georg II. vollendeten die Anlage, obwohl der Hof nach London umgezogen war und die Regenten nur noch zeitweise in Herrenhausen weilten.
Die Abwesenheit des Hofes zwischen 1756 und 1837 führte dazu, dass der Große Garten nicht den zeitgenössischen Entwicklungen der Gartenkunst zu so genannten Landschaftsgärten unterzogen wurde. Die Anlage war während dieser Zeit für das Publikum begehbar und blieb öffentlich, auch als der Hof wieder aus England zurückgekommen und Herrenhausen zunächst wieder Sommerresidenz und ab 1862 sogar ständige Residenz wurde. Nach der Annexion des Königreichs Hannover 1866 kamen Schloss und Großer Garten als beschlagnahmter Privatbesitz der Welfen unter preußische Verwaltung und wurden durch diese weitgehend in den überkommenen Strukturen mit nur wenigen Veränderungen unterhalten.
Nach dem I. Weltkrieg konnte die Pflege des Großen Gartens nicht mehr ausreichend aufrechterhalten werden. Daher erwarb die Stadt Hannover 1936 den kurz vor dem Verfall stehenden Großen Garten und umgebende Grundstücke. Es begann eine Phase der ›Wiederherstellung‹, die nach nur elfmonatiger Bauzeit 1937 mit der Wiedereröffnung abgeschlossen war. Dabei wurde weniger in die Grundstruktur des Großen Gartens eingegriffen, sondern viel mehr dessen Einzelräume umgestaltet. Durch diese Arbeiten erfuhr auch das Gesamtbild des Großen Gartens wesentliche Veränderungen. Im II. Weltkrieg wurde das Schloss vollständig zerstört und der Große Garten beschädigt. Während das Schloss in der Nachkriegszeit erst 70 Jahre nach seiner Zerstörung in seiner äußeren Form wieder aufgebaut wurde, konnten die Kriegsschäden im Garten beseitigt werden, wobei die Grundsätze der ›Wiederherstellung‹ von 1936/37 übernommen und unter anderem bei den Arbeiten zur 300-Jahrfeier 1966 fortgeführt wurden.
Innerhalb der barocken Grundstruktur des Großen Gartens Hannover-Herrenhausen mit seinem hierarchischen Gefüge aus Schloss im Norden, Parterre als »Großes Luststück«, seitliche Boskettzonen und nach Süden anschließenden Wasserflächen, Heckenbosketts und dem »Nouveau Jardin« sowie den umrahmenden Randalleen und der abschließenden Graft befindet sich das Theaterboskett in der östlichen, schloss- und parterrenahen Boskettzone. Es steht inmitten einer Abfolge verschiedener, aufeinander bezogener Einzelräume, beginnend vor dem Galeriegebäude im Norden mit Orangenparterre, Königsbusch, Heckentheater, Lindenstück und endend mit dem Kreuzbusch im Süden. Im Folgenden wird das Heckentheater mit Bühnenplateau und Amphitheater sowie der Königsbusch aufgrund der gestalterischen Beziehung und Einheit als Theaterboskett bezeichnet. Während sich mit dem Theaterboskett in der östlichen Boskettzone bei Aufführungen und Festen eine »spielerische Selbstdarstellung« verband, war die spiegelbildlich entsprechende westliche Boskettzone einer eher gegensätzlichen Nutzung, dem »spielerischen Sichverbergen« in labyrinthartig verschachtelten Heckenbosketts, vorbehalten.7
Elemente des Theaterbosketts und ihre Raumwirkungen in der Barockzeit
Heike Palm hat in ihrer Studie8 den heute vorhandenen baulichen und vegetativen Elementen des Theaterbosketts im Großen Garten Hannover-Herrenhausen unterschiedliche historische Entstehungsphasen zuordnen können und einen Plan von Remy de la Fosse um 1705 als den überwiegend durch weitere Quellen belegten Bestand der ursprünglichen Gestaltung von 1689–1691 ausgewiesen (Abb. 1). Eine genaue Einmessung des heutigen Theaterbosketts beweist die Annahme; die Unterschiede zwischen dem Plan von 1705 und dem jetzigen Zustand sind nur sehr gering.
Folgende bauliche und vegetative Elemente erzeugten in der ursprünglichen barocken Gestaltung die räumliche Wirkung des Theaterbosketts (Abb. 2):
- Die Äußeren Einfassungshecken in Nord-Süd-Ausrichtung dienen als räumliche Abgrenzung gegenüber dem Parterre im Westen und den Randalleen im Osten. Sie sind zusammen mit einer durchgehenden mittigen Nord-Süd-Achse die verbindenden Elemente aller Einzelräume in der Abfolge der östlichen Boskettzone.
- Die Einfassungshecken in Ausrichtung der West-Ost-Querachsen des Großen Gartens bilden die südlichen und nördlichen Raumkanten des Theaterbosketts und erzeugen mittig eine Durchdringung und Unterteilung in die Bereiche Bühnenplateau und Amphitheater / Königsbusch. Die Einfassungshecken umfassen hier durch flügelartige Erweiterungen das Theaterparterre mit einem annähernd ovalen Grundriss. Es ist zentraler, verbindender Raum zwischen Bühne und Amphitheater und zugleich Verbindung zum Parterre bzw. zu den Randalleen.
- Die Mauern um das Bühnenplateau dienen der Abfangung eines nach Süden ansteigenden großflächigen Erdkörpers. Den südlichen Abschluss bilden zwei Treppenabgänge um die Kleine Kaskade. Die nördliche Abgrenzung der Bühne gegen das Theaterparterre ist mit risalitartigen Vor- und Rücksprüngen versehen, die mittig einen (Orchester-)Bereich umfassen und seitlich zwei Treppenanlagen als Aufgänge zum Bühnenplateau aufnehmen.
- Die Mauern und Ränge des Amphitheaters steigen nach Norden terrassenförmig mit halbrundem Abschluss an. Die Mauerkronen gehen über die jeweiligen Ränge hinaus. Der trapezförmige Grundriss im Bereich der unteren Ränge nimmt den entgegengesetzt trapezförmig ausgerichteten Bühnenraum mit Heckenkulissen auf. Gelenk im Wechsel dieser Ausrichtungen ist das oben genannte Theaterparterre.
- Begleitende bzw. kaschierende Hecken um das Bühnenplateau und das Amphitheater folgen den jeweiligen Futtermauern und verstärken bzw. überhöhen deren räumliche Wirkung.
- Die Heckenkabinette auf dem Bühnenplateau sowie im Königsbusch füllen die Bosketträume seitlich der Nord-Süd-Achse. Sie bilden kleine eigenständige, nach Innen bezogene Räume aus, die über die Zugänge und Zugangswege in Bezug zur Gesamtstruktur des Theaterbosketts stehen. Auf dem Bühnenplateau sind sie seitlich dem Bühnenraum zugeordnet. Im Königsbusch sind sie überwiegend strahlenförmig auf den halbrunden Abschluss des Amphitheaters bezogen.
- Die Heckenkulissen bilden beidseitig die räumlichen Begrenzungen der Bühne / Szene. Dabei erzeugt die von der Vorderbühne / Proszenium bis zum Schlussprospekt reichende räumliche Verengung mit trapezförmigem Grundriss im Zusammenhang mit dem ansteigenden Erdkörper des Bühnenplateaus eine perspektivisch verlängerte Raumwirkung.
- Ein Innerer Baumrahmen begleitet die Heckenkulissen und schließt diese gegenüber der Bühne / Szene seitlich ab (Abb. 3). Durch zwei vor den Bühnenmauern und zwei vor den unteren Rängen des Amphitheaters stehende Bäume reicht der Rahmen in das Theaterparterre hinein und setzt sich durch Baumstellungen auf den Rängen des Amphitheaters, den halbrunden Abschluss begleitend, fort (Abb. 4). Durch den Inneren Baumrahmen wird eine Verbindung der Raumfolge Bühne / Szene – Theaterparterre – Amphitheater hergestellt.Öffnungen des Inneren Baumrahmens in der Nord-Süd-Achse des Theaterbosketts ermöglichen den Blick nach Norden bis zum Mittelrisalit des Galeriegebäudes und nach Süden über das Lindenstück hinaus bis zum Kreuzbusch.
- Vergoldete Bleifiguren und Formgehölze bilden den inneren Rahmen der Bühne / Szene. Sie sind in den Raum hineingerückt und werden dadurch zum Bestandteil der Darstellung. Dem Inneren Baumrahmen folgend setzt sich der Figurenschmuck auf dem obersten Rang und den Mauerkronen des halbrunden Abschlusses des Amphitheaters fort und schafft damit eine weitere Verbindung der Raumfolge Bühne / Szene – Theaterparterre – Amphitheater.
- Ein Äußerer Baumrahmen wird durch in die Hecken gestellte Bäume in regelmäßigen Abständen und durch Füllgehölze zwischen den Hecken der Kabinette gebildet, die vermutlich ebenfalls aus Bäumen bestanden. Auf diese Elemente wird im Folgenden nicht näher eingegangen, da dieser Äußere Baumrahmen vermutlich nicht über längere Zeit bestand.
Maßgeblich werden die oben beschriebenen räumlichen Wirkungen der baulichen und vegetativen Elemente des Theaterbosketts über deren Höhengliederung beeinflusst:
- Untere Ebene Wegebeläge, Einfassungen sowie Mauern, Ränge, Treppen
- Mittlere Ebene Einfassungshecken, Heckenkabinette, Heckenkulissen, Figuren und Formgehölze sowie Mauern, Ränge, Treppen
- Obere Ebene Innerer (und Äußerer) Baumrahmen
So erhebt sich zum Beispiel der Innere Baumrahmen über die Heckenkulissen bzw. Heckeneinfassungen und verstärkt bzw. überhöht die räumliche Wirkung dieser. Dabei wird in der Baumstellung der trapezförmige Grundriss der Bühne / Szene fortgeführt und in den eigentlich gegenläufig trapezförmigen Grundriss der Mauern, Ränge und begleitenden Hecken des Amphitheaters hineingefügt. Es entsteht hier durch unterschiedliche Elemente und Höhengliederungen eine sich überschneidende und dadurch spannungsvolle Raumwirkung.
Veränderungen der Elemente des Theaterbosketts und ihre Raumwirkungen
Hervorzuheben ist, dass vor allem im Kernbereich des Theaterbosketts, d. h. Amphitheater und Bühne / Szene, fast 250 Jahre lang kaum Veränderungen vorgenommen worden sind. Die Grundstruktur mit Mauern, Rängen, Treppen einschließlich Kleiner Kaskade sowie der mittlere Bereich des Königsbusches wurden weitgehend erhalten.
Beschränkten sich die Veränderungen des 19. Jahrhunderts vorwiegend auf Vereinfachungen der seitlichen Heckenkabinette auf dem Bühnenplateau und im Königsbusch, haben vor allem die Umgestaltungen des 20. Jahrhunderts Veränderungen in den Raumwirkungen hervorgerufen.9 Der heutige Bestand stellt sich wie folgt dar (Abb. 5):
zu 1. | Die Äußeren Einfassungshecken in Nord-Süd-Ausrichtung sind weitgehend erhalten, jedoch in ihrer Länge bzw. ihrem Bezug zum Bühnenplateau verändert. Die räumliche Wirkung wird maßgeblich durch die im 20. Jahrhundert vereinheitlichte Höhe der Hecken beeinflusst. |
zu 2. | Die Einfassungshecken in Ausrichtung der West-Ost-Achsen des Großen Gartens sind in der nördlichen Abgrenzung des Königsbuschs erhalten, jedoch in der südlichen Abgrenzung vor dem Bühnenplateau nicht mehr vorhanden. In der mittigen West-Ost-Achse des Theaterbosketts hat es erhebliche Veränderungen in der Raumwirkung durch die Schaffung der Eingangsbereiche 1936/37 gegeben. Aus den Einfassungshecken des Bühnenplateaus bzw. des Königsbuschs heraus wurden Heckenkörper in die ehemalige West-Ost-Achse hineingestellt. Es entstanden gegenüber dem westlich angrenzenden Parterre und den östlich angrenzenden Randalleen eingerückte Vorplätze und dahinter jeweils foyerartige Vorräume in annähernd quadratischem Grundriss. Den Zuschauerraum erreicht der Besucher nun durch verhältnismäßig schmale, mit Toren und Heckenbögen versehene Eingänge. Die sich ehemals flügelartig aus den Einfassungshecken entwickelnden Raumbegrenzungen des Theaterparterres im ehemals ovalen Grundriss fehlen. Der Zuschauerraum in seinem nun rechteckigen Grundriss ist räumlich nach innen orientiert, das heißt nur auf den unmittelbaren Bereich der Bühne / Szene bezogen und antwortet nicht mehr auf dessen trapezförmigen Grundriss. Zudem fehlt durch die verschmälerten Eingänge weitgehend die ehemalige Durchdringung des Theaterbosketts in der mittleren West-Ost-Achse und damit die Verbindung zu den anschließenden Gartenbereichen Parterre im Westen bzw. Randalleen im Osten. |
zu 3. | Die Mauern um das Bühnenplateau sind in ihrer Lage und Höhe weitgehend erhalten. Die südliche Kleine Kaskade mit Treppenanlagen ist vorhanden. Ebenso bestehen die nördlichen risalitartigen Vor- und Rücksprünge der Bühne einschließlich seitlichen Treppenanlagen, jedoch wurde hier ab 1936/37 ein Orchestergraben hinzugefügt, der das Theaterparterre entsprechend verkleinert und eine Distanz zur Bühne / Szene schafft. Die Bühne / Szene erhielt einen Verbindungstunnel, Technikkeller und während der Spielzeiten verschiedene Bühnen- und Beleuchtungseinrichtungen. |
zu 4. | Die Mauern und Ränge des Amphitheaters sind in ihrer Lage und Höhe weitgehend erhalten. Veränderungen hat es an den seitlichen Flanken gegeben: Die Einfassungsmauern des Amphitheaters wurden entsprechend der Ausrichtung der neuen Eingangsbereiche nun rechtwinklig auf die Bühnenmauern zugeführt und verlängert. Während der Spielzeiten erhalten das Theaterparterre und die Ränge des Amphitheaters eine mobile Bestuhlung. |
zu 5. | Die begleitenden bzw. kaschierenden Hecken um das Bühnenplateau sind an der Süd- und Nordseite erhalten, an der Ost- und Westseite jedoch nur oberhalb der Mauern. Hier sind seit 1936/37 die Äußeren Einfassungshecken mit den kaschierenden Hecken der Nord- und Südseite verbunden, so dass die ehemaligen Heckengänge entlang der Bühnenmauern nicht mehr vorhanden sind. Um die Mauern des Amphitheaters sind die Hecken weitgehend erhalten. Die Höhe entspricht allerdings heute der Höhe der Mauerkronen, so dass der räumliche Abschluss des Amphitheaters verändert wirkt. An den Flanken des Amphitheaters folgen die Hecken dem veränderten Grundriss der Eingangsbereiche. |
zu 6. | Die Einfassungshecken der Heckenkabinette auf dem Bühnenplateau sind erhalten, die Binnengliederung ist jedoch seit dem 19. Jahrhundert überwiegend verloren gegangen. Die westlichen und östlichen Kabinettbereiche nehmen die 1960 und 1977 entstandenen Garderoben- und Magazingebäude auf und kaschieren diese. Im Königsbusch ist die kleinräumige Binnengliederung verloren, nur die Einfassungshecken und die mittlere Nord-Süd-Achse mit der vierpassförmigen Aufweitung und dem Figurenschmuck sind erhalten. Die 1936/37 entstandene neue Ausgestaltung hat die seitlichen ehemaligen Kabinettbereiche neu interpretiert und räumlich nach innen orientiert. Die Raumwirkung wird durch die 1936/37 gepflanzten und zur 300-Jahrfeier 1966 ergänzten umlaufenden Lindenhochhecken geprägt. |
zu 7. | Die Heckenkulissen als räumliche Begrenzungen der Bühne / Szene sind mehrfach ersetzt, aber vermutlich in der Lage weitgehend wie im ursprünglichen Zustand vorhanden. Lediglich der südliche Abschluss mit ehemaligem Übergang in die beiden kleinen südlichen Heckenkabinette des Bühnenplateaus ist einem umlaufenden Weg gewichen. Die Raumwirkung der Heckenkulissen aus dem Theaterparterre und Amphitheater heraus ist heute kompakter, weil ehemals vorhandene, seitliche Kulissendurchgänge fehlen. |
zu 8. | Der Innere Baumrahmen im Bühnenbereich / Szene ist ebenfalls ersetzt worden, aber in der Lage weitgehend wie zur Entstehungszeit erhalten. Jedoch sind die Bäume heute einheitlich kastenförmig zu Hochhecken geformt. Der Kronenansatz liegt in Höhe der Oberkante der Heckenkulissen, so dass die Vegetationskörper miteinander verbunden scheinen. Die in sich geschlossenen Hochhecken verstärken die Tiefenwirkung der Bühne / Szene, anstatt wie ursprünglich vorhanden durch kegelförmige Baumkronen mit der Rhythmik der Heckenkulissen zu korrespondieren (Abb. 6). Die Bäume im Amphitheater befinden sich nur noch auf dem oberen Rang. Die vier Bäume im Theaterparterre fehlen. Die räumliche Verbindung von Bühne / Szene, Theaterparterre und Amphitheater über den Inneren Baumrahmen ist dadurch unterbrochen. Gleichzeitig entsprechen die Baumstandorte nicht mehr der ursprünglichen Anordnung; es stehen auf dem oberen Rang nun zwölf statt sechs Bäume. Durch den Kronenschluss der Bäume auf dem oberen Rang des Amphitheaters ist kein ungehinderter Durchblick in der Nord-Süd-Achse auf den Mittelrisalit des Galeriegebäudes mehr möglich (Abb. 7). Sie sind zwar jetzt auf die Mitte des Amphitheaterbogens ausgerichtet, beachten aber nicht die leichte Verschiebung der Querachsen im Großen Garten um knapp drei Grad. Dadurch stehen die mittleren Bäume nicht mehr symmetrisch zur Blickachse auf das Galeriegebäude. |
zu 9. | Die vergoldeten Bleifiguren und Formgehölze auf der Bühne / Szene sind weitgehend erhalten. Die Originale aus der Entstehungszeit des Heckentheaters wurden umfangreich restauriert und 2009 wieder aufgestellt. Von den achtzehn aufgestellten Figuren sind noch siebzehn vorhanden. Es fehlen Figuren auf der Balustrade der Kleinen Kaskade und der Figurenschmuck auf den Rängen sowie den Brüstungen des halbrunden Abschlusses des Amphitheaters.10 |
Insgesamt ist die Höhengliederung der Elemente der unteren Ebene wie Wegebeläge, Einfassungen, Mauern, Ränge, Treppen noch weitgehend in der Raumwirkung erhalten. Vor allem in der »mittleren« und »oberen Ebene« hat es jedoch bei den Einfassungshecken, Heckenkabinetten, Heckenkulissen sowie dem Inneren Baumrahmen wesentliche Veränderungen gegeben. So sind die Hecken heute weitgehend auf einem Standardmaß von rund 3 Meter Höhe vereinheitlicht.
Analyse der Veränderungen im Theaterboskett
Die ursprünglich vorhandenen baulichen und vegetativen Elemente des Theaterbosketts zeigen eine in dem Bauzustand um 1705 enthaltene, feinsinnig aufeinander abgestimmte, räumliche Gestaltung mit Höhengliederung in mehreren Ebenen. Durch die oben beschriebenen Veränderungen, besonders des 20. Jahrhunderts, sind wesentliche Raumwirkungen, besonders im Theaterparterre und Amphitheater sowie in den äußeren Einfassungen und den inneren Räumen des Königsbuschs verloren gegangen und heute nicht mehr erlebbar.
Veränderungen vom 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts
Während und nach der Zeit der Abwesenheit des Hofes hat es im Theaterboskett, wie in den übrigen öffentlich zugänglichen Gartenbereichen, Vereinfachungen vor allem in den vegetativen Elementen und in der Ausgestaltung gegeben. Die Binnengliederung der Heckenkabinette und die Kanten ihrer Einfassungshecken wurden auf dem Bühnenplateau teilweise vereinfacht. Im Königsbusch wurde die Binnengliederung ganz aufgegeben und zugunsten von Anzuchtflächen bzw. später als Spielflächen innerhalb des Privatgartens der Königsfamilie genutzt. Die baulichen Elemente und Ausstattungen des Theaterbosketts wurden stets instand gehalten. So erfolgte eine Sanierung der Mauern und beschädigte Figuren wurden regelmäßig repariert. Bis 1805 waren noch alle vergoldeten Bleifiguren vorhanden. In den nachfolgenden Jahren nahm deren Anzahl, vermutlich aufgrund weiterer Beschädigungen, allerdings ab.
Regelmäßig wurden Bäume im Theaterboskett durch Neupflanzungen ersetzt, die immer an den ursprünglichen Standorten der alten Bäume erfolgten. Zuletzt tauschte man 1930 die Bäume auf den Rängen des Amphitheaters. Dabei verminderte man allerdings die Anzahl der Bäume. Es fehlen seitdem die Bäume auf dem zweiten und vierten Rang. Stattdessen erfolgte die Pflanzung je eines Baumes auf dem dritten Rang.
Umgestaltungen 1936/37
Unabhängig von den übrigen Arbeiten zur ›Wiederherstellung‹ des Großen Gartens 1936/37 und den Veränderungen, die zum Beispiel im Parterre oder in den Sondergärten vorgenommen wurden, hätten sich die Arbeiten im Theaterboskett eigentlich auf notwendige Reparaturen an den Mauern, Figuren und auf den Austausch der 1930 gepflanzten Linden des Amphitheaters beschränken können, denn die historische Substanz und mit den Figuren auch der Schmuck war überwiegend vorhanden. Anhand von vorhandenen Stichen, Plänen und Unterlagen hätte der ursprüngliche Zustand klar nachvollzogen werden können, zumal sich die städtische Gartenverwaltung bei ihrer ›Wiederherstellung‹ auf Forschungsergebnisse der 1920er Jahre berief.11
Doch die Eingriffe 1936/37 im Theaterboskett gingen weit über eine tatsächliche Wiederherstellung hinaus. Vor allem die Veränderungen im Amphitheater und im Theaterparterre mit Neugestaltung der Eingangsbereiche und Einbau des Orchestergrabens waren gravierend und griffen in die Grundstruktur des Großen Gartens und des Theaterbosketts ein.
Hintergrund auch für diese Umgestaltungen war ein Leitbild bei der ›Wiederherstellung‹ des Großen Gartens 1936/37, das sich zwar an Formen der Barockzeit orientierte, diese und die überkommenen Strukturen aber durchaus bewusst neu interpretierte, damit sich der Garten in einem neuen, vermeintlich barocken Idealbild für den damaligen Besucher »prächtiger und reizvoller denn jemals« präsentierte.12 So schrieb der damals verantwortliche Stadtgartendirektor Wernicke, dass es bei der ›Wiederherstellung‹ des Großen Gartens 1936/37 »für die Stadtverwaltung galt […] den Garten in seiner alten Gestalt zu erneuern, ihn gärtnerisch wiederherzustellen und im strengen Rahmen seines geschichtlichen Stiles nur dort neues zu schaffen, wo vordem Teile des Nutzgartenbaues gedient hatten oder wo der Schmuck der Flächen lange aufgegeben war und zuverlässige Unterlagen über die ursprüngliche Form im einzelnen fehlten.«13
Zugeständnisse an eine moderne Nutzung wurden dabei zugelassen. Für das Theaterboskett bedeutete dies: »Die Wiederherstellung des Gartentheaters in seiner ursprünglichen Form war eine besonders dankbare Aufgabe. Um den Wünschen der neueren Bühnentechnik zu genügen, war es lediglich nötig, für das Orchester eine kleine Vertiefung vor der Bühne zu schaffen. Im Übrigen wurde der Zuschauerraum so gestaltet, dass er jetzt 600 Besuchern Platz bietet. Eine räumliche Schwäche des Gartentheaters konnte mit geringen Mitteln geschickt behoben werden. Bühne und Zuschauerraum wurden früher durch einen störend wirkenden breiten Weg getrennt. Durch Herstellung je eines Heckenvorraumes zu beiden Seiten des Heckentheaters sind jetzt die Bühne und der Zuschauerraum zu einer baulichen Einheit zusammengeschlossen. Die breite Wegefläche, die vordem die beiden Teile störend trennte, ist als Parkett vor dem aufsteigenden Zuschauerraum des Amphitheaters gewonnen worden. Eine weitere wesentliche Verbesserung der Gesamtwirkung wurde sodann noch dadurch erreicht, dass eine eng gestellte Reihe starker Linden, die schon in breiter Kastenform geschnitten sind, auf der oberen Plattform des Zuschauerraumes angepflanzt wurden. Besondere Sorgfalt wurde auf die Instandsetzung der Bildwerke verwandt, die die Gartenbühne beleben. […] Natürlich wurden auch die Beleuchtungseinrichtungen geschaffen, die für die Gartenbühne notwendig sind. Mit Stolz können wir sagen, dass das Gartentheater heute wieder allen Ansprüchen genügt, die an eine Freilichtbühne zu stellen sind.«14
Die Darstellung des Stadtgartendirektors Wernicke verdeutlicht, dass die Einbindung des Theaterbosketts in die Grundstruktur des Großen Gartens durch die West-Ost-Achse von den Verantwortlichen der Umgestaltung nicht erkannt, sondern als »räumliche Schwäche« betrachtet wurde, die durch eine Verengung des als »störend wirkenden breiten Weges« behoben werden konnte. Bühne, Theaterparterre und Amphitheater sind dadurch »als bauliche Einheit zusammengeschlossen«. Dabei sind wohl vor allem Gründe der besseren Bespielbarkeit als »Freilichtbühne« ausschlaggebend gewesen. Dazu passte dann auch die eng gestellte Reihe kastenförmig geschnittener Linden auf dem oberen Rang des Amphitheaters, die die umgebenden restlichen Gartenbereiche ausblenden und den Blick entlang der Nord-Süd-Achse auf den Mittelrisalit des Galeriegebäudes mit seinen Herrschaftssymbolen verhindern. Auch die Neugestaltung des Königsbuschs entsprach dem Konzept, nach Innen orientierte Räume ohne Bezug zum übrigen Garten zu schaffen. Zusätzlich nimmt die neue Binnengliederung mit zwei Eingängen und zwei umlaufenden Wegen in Form und Ausrichtung keine Verbindung mehr zur Rhythmik der Baumstellungen, Figuren und Nischen des Amphitheaters auf und löst sich somit von den Theaterbereichen. Die ehemalige Einheit des Theaterbosketts zerfällt in »Freilichtbühne« und Königsbusch.
Veränderungen 1956 bis 1965
Aufgrund eines Sturmes, der 1956 einige der alten Bäume auf dem Bühnenbereich entwurzelte, wurde 1957 die gesamte Bepflanzung auf der Bühne erneuert. Dabei ist es erstaunlich, dass es keine Bilder von den Sturmschäden zu geben scheint. In Herrenhausen gab es das Gerücht, dass der Sturmschaden gar nicht so groß gewesen sei, aber trotzdem gern zum Anlass genommen wurde, die lang geplante, aber von der Bevölkerung nicht gern gesehene Fällung der alten Bäume durchzuführen. Die Kronenformen der neu gepflanzten Bäume auf der Bühne wurden dem Kastenschnitt der 1930er Jahre in den übrigen umgebenden Gartenbereichen angepasst.
Karl H. Meyer als verantwortlicher Leiter der Gärten hatte die Veränderungen der 1930er Jahre bei der Wiederherstellung des Großen Gartens nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs übernommen. Bezogen auf das Theaterboskett bedeutete dies, dass die gegenüber der ursprünglichen barocken Gestaltung in den 1930er Jahren veränderte Formensprache fortgeführt wurde. Karl H. Meyer vermittelte dabei, dass die Kastenlinden die einzig richtige Form gewesen sei. Er schrieb: »Die absolute Lösung will die Dauer, sie muss die Zeit und den Wandel verneinen, sie verlangt daher, dass das Wachsen in vorgezeichneten Formen erstarrt. Die Hecke, die Baumwand, die geschnittene Pyramide, das sind die einzig zulässigen Formen, die den Pflanzen zugebilligt werden. […] Um die gleichen 1,45 Meter müssen die streng kastenförmig geschnittenen Lindenbäume entgegengesetzt vorn auf der Bühne größer sein als die hinteren, so in der gartenwirksamen Kante doch wieder eine Waagerechte schaffend«.15
In dieser ausführlichsten Schrift Meyers über das Theaterboskett werden die von ihm durchgeführten Veränderungen und die der 1930er Jahre nicht erwähnt, sondern die Maßnahmen als stilistisch reine Wiederherstellung im ursprünglichen Sinn dargestellt. »Die Mauern wurden gerichtet, die Linden wieder gepflanzt. Langsam wachsen sie in ihre vorgezeichneten Formen, das Heckentheater wieder in die Welt der reinen Maße und der lichten Ordnung stellend«.16
Haben die Verantwortlichen der 1930er Jahre noch Ihre Abweichungen zum überkommenen Bestand und der ursprünglichen barocken Gestaltung mit mangelnden Unterlagen begründet oder wollten sie eine Steigerung der Wirkung bei den Besuchern erreichen, so gab Karl H. Meyer seine Veränderungen der 1950er/60er Jahre nicht einmal mehr zu und keine eigenständige Begründung für sein Handeln. Die Veränderungen unter seiner Verantwortung können als eine Fortsetzung der Umgestaltungen der 1930er Jahre betrachtet werden, die darüber hinaus noch durch einige weitere Zugeständnisse an den Spielbetrieb ergänzt wurden. Dazu muss auch die ersatzlose Entfernung der letzten Bäume aus dem Theaterparterre und Amphitheater gerechnet werden, an deren Stelle nun hydraulisch ausfahrbare Beleuchtungstürme stehen.
Bewertung der Veränderungen im Theaterboskett
Die heute überkommenen Veränderungen aus der ›Wiederherstellung‹ 1936/37 und den folgenden Jahren im Theaterboskett beinhalten keine so große schöpferische Qualität, dass sie gegenüber der herausragenden ursprünglichen barocken Gestaltung des Theaterbosketts eine eigenständige zu bewahrende, denkmalpflegerische Bedeutung haben.
Die Veränderungen konzentrierten und reduzierten das Theaterboskett auf die vermeintlichen Anforderungen einer modernen »Freilichtbühne« jener Zeit der 1930er und 1950er/60er Jahre. Die Nutzung als Festraum und die Funktion eines Bosketts zum Aufenthalt und Spazieren mit Verbindung zu den umgebenden Gartenbereichen wurden mit den Umgestaltungen, besonders der Eingangsbereiche 1936/37, ausgeblendet und verneint.
Zudem wiegt der erlittene Verlust der Durchdringung des Theaterbosketts mit der mittleren West-Ost-Querachse und der Verlust der Ausdehnung des im Zentrum liegenden Theaterparterres mit geänderter Ausrichtung ausschließlich auf die Bühne / Szene sowie die Schließung des Sichtfensters zum Galeriegebäude in Nord-Süd-Richtung besonders schwer, weil dadurch in die barocke Grundstruktur des gesamten Großen Gartens eingegriffen wurde.
Die übrigen Maßnahmen der ›Wiederherstellung‹ des Großen Gartens 1936/37 wie Parterreausschmückung und Sondergärten beschränkten sich im Wesentlichen auf Veränderungen von Einzelräumen unter Erhalt der Grundstruktur des Großen Gartens. Diese Umgestaltungen im Sinne einer schöpferischen Gartendenkmalpflege würden zwar heute so nicht mehr durchgeführt werden, sind aber trotzdem als denkmalwürdig anerkannt. In diesen Gartenbereichen sind nur noch wenige Elemente der ursprünglichen barocken Gestaltung erhalten. Dagegen sind im Theaterboskett trotz der Umgestaltungen und Veränderungen wesentliche Elemente der ursprünglichen barocken Gestaltung bis heute vorhanden. Auch im Königsbusch zeigt der heutige Bestand durch den zentralen Weg mit vierpassförmiger Aufweitung und Figurenschmuck entlang der Nord-Süd-Achse noch eine der wesentlichen Strukturen als überkommenen Inhalt der ursprünglichen barocken Gestaltung. Jedoch sind die Binnengliederungen der ehemaligen Kabinette vollständig verloren gegangen. Die heute vorhandene innere Ausgestaltung des Königsbuschs ist nur auf zwei ortsfremde Vasen bezogen und besitzt keinen eigenständigen künstlerischen Wert, zumal der Bezug der Wege auf das Amphitheater und das Theaterparterre und damit die übergeordnete Einbindung des Königsbuschs als Bestandteil des Theaterbosketts heute fehlen.
Für das Gesamtkonzept der Umgestaltungen der 1930er und 1950er/60er Jahre im Großen Garten sind die Veränderungen im Theaterboskett mit Königsbusch kein wesentlicher, unverzichtbarer Schwerpunkt. Er ist Einzelraum wie die übrigen umgestalteten Gartenbereiche innerhalb der erhaltenen Grundstruktur des Großen Gartens. Nur die Höhengliederungen der Einfassungshecken und die Bäume mit kastenförmigen Kronenformen als Hochhecken unterliegen seit 1936/37 und den 1950er/60er Jahren einer einheitlichen Gesamtwirkung im nördlichen Großen Garten, besonders als Rahmung des Parterres.
Die Untersuchungen von Rudolf Meyer (1934) sowie Dieter Hennebo und Erika Schmidt (1978) und die Studie zur Geschichte und historischen Zuordnung des Bestands von Heike Palm (2007) haben die herausragende Bedeutung des Theaterbosketts in der Gartenkunstgeschichte und seine Wirkung über die Grenzen Hannovers hinaus für die Entwicklung des Typus Heckentheater dargestellt. Wesentliche Raumwirkungen der ursprünglichen barocken Gestaltung sind heute nicht mehr vorhanden und erlebbar. Jedoch sind im Gegensatz zu anderen in den 1930er und 1950er/60er Jahren umgestalteten Einzelräumen des Großen Gartens im Theaterboskett noch wesentliche Elemente der ursprünglichen barocken Gestaltung erhalten. Diese überkommenen Inhalte lassen denkmalpflegerische Maßnahmen am selben Ort schon dem Grunde nach zu. Aufgrund der herausragenden gestalterischen Qualität und der Bedeutung des Theaterbosketts sollte dabei der ursprünglichen barocken Gestaltung Vorrang vor den Umgestaltungen bzw. Veränderungen des 20. Jahrhunderts gegeben werden.
Vorgaben für ein Entwicklungskonzept
Aus der vorgenannten gartendenkmalpflegerischen Bewertung heraus ist das Ziel zukünftiger Planungen und Maßnahmen für das Theaterboskett Hannover-Herrenhausen eine Rückbesinnung auf ursprünglich vorhandene, verloren gegangene Qualitäten, das heißt eine größtmögliche Annäherung an die barocke Gestaltung bzw. tradierte Ausführung, die gerade für diesen Gartenbereich sehr gut dokumentiert ist. (Abb. 8) Schwerpunkte sind dabei die Erlebbarkeit der inneren Raumwirkungen und die wieder herzustellende Einbindung des Theaterbosketts in die Grundstruktur des Großen Gartens unter Beachtung der Gesamtwirkung aus den umgebenden Gartenbereichen heraus, besonders als Rahmen des westlich angrenzenden Parterres und als Bestandteil der Raumfolge der östlichen Boskettzone vom Galeriegebäude bis zum Kreuzbusch.
Leitbild für zukünftige Planungen und Maßnahmen in den baulichen und vegetativen Elementen sind die oben beschriebenen wesentlichen gestalterischen Merkmale der ursprünglichen barocken Gestaltung. Dabei ist zu beachten, dass auch im Theaterboskett die mehrschichtige Entwicklung bis in die heutige Zeit ablesbar sein muss. Es sollte bei zukünftigen Planungen und Maßnahmen nicht darum gehen, das Theaterboskett als barocke Insel in einem ansonsten heute maßgeblich durch die ›Wiederherstellung‹ 1936/37 geprägten Großen Garten zu erleben. Es sind daher auch Elemente zu erhalten, an denen die Umgestaltungen und Veränderungen des Theaterbosketts unter Berücksichtigung aller Entstehungsphasen ablesbar bleiben. Diese dürfen aber die ursprüngliche barocke Gestaltung und besonders die ehemals vorhandenen Raumwirkungen nicht wesentlich beeinträchtigen.
Durch relativ wenige Eingriffe sind bei den Umgestaltungen der 1930er und 1950er/60er Jahre wesentliche Raumwirkungen der ursprünglichen barocken Gestaltung verloren gegangen. Umgekehrt können heute durch relativ wenige Maßnahmen diese ehemals bedeutenden Raumwirkungen behutsam wieder hervorgeholt und erlebbar gemacht werden (Abb. 9). Maßnahmen an baulichen oder vegetativen Elementen sind in der Planungsphase ausführlich darzustellen, zu begründen und auf ihre Folgen nicht nur für das Theaterboskett, sondern auch für den gesamten Großen Garten zu untersuchen. Vor Ausführung geplanter Maßnahmen erfolgt eine ausführliche Dokumentation des heutigen Zustands über Vermessungspläne, Aufmaße, Fotos und Beschreibungen mit Zuordnung zu den jeweiligen Entstehungsphasen. Dabei sind auch die baulichen oder vegetativen Elemente zu erfassen, die nicht verändert werden sollen.
Darüber hinaus sollte das Entwicklungskonzept grundsätzlich die zukünftige Art der Bespielung des Theaterbosketts thematisieren. Außerdem sollte im Zusammenhang mit der räumlichen Abfolge der östlichen Boskettzone des Großen Gartens, in der das Theaterboskett mit Königsbusch steht, mittel- bis langfristig auch das Orangenparterre Thema einer denkmalpflegerischen Konzeption werden.
Ausblick
Das Entwicklungskonzept für die Sanierung wurde wiederum an das Büro Dittloff + Paschburg Landschaftsarchitekten aus Hamburg vergeben. Ab dem Winterhalbjahr 2019/20 soll die Rückführung des Theaterbosketts in mehreren Bauabschnitten erfolgen. Im ersten Schritt sind die Fällung aller Bäume auf dem Bühnen- und Amphitheaterbereich und die Nachpflanzung geplant. In der städtischen Baumschule werden bereits entsprechende Linden (Tila x intermedia ›Pallida‹) angezogen. Da der Wurzelraum vor allem auf den Rängen begrenzt ist, sind es erst etwa fünf Meter hohe Bäume mit einem Kronenansatz von knapp 2,50 Metern, die in den darauffolgenden Jahren kontinuierlich weiter aufgeastet werden müssen, um das historische Kronenmaß zu erhalten. Alle Bäume werden an ihren ursprünglichen Standorten gepflanzt, also auch im unteren Zuschauerbereich. Auch die Hecken an den Eingängen werden nach dem historischen Vorbild neu gesetzt und erweitern so wieder den Durchblick auf der Querachse des Großen Parterres. Der Orchestergraben wird komplett rückgebaut und die Lichtmasten entfernt. Ob die kleinteiligen Boskettstrukturen im Königsbusch auch wiederhergestellt werden sollen, ist noch nicht entscheiden, das würde aber erst in einem zweiten Bauabschnitt erfolgen.
Schon im Sommer 2017 begannen Sanierungsmaßnahmen an der äußeren Umfassungsmauer des Bühnenbereichs, da die Schalungsmauer drohte auseinander zu brechen. Auch mit den Sanierungen der Elektrik und der Wasserver- und -entsorgung wurde bereits angefangen.
In 2018 werden die Herrenhäuser Gärten die Bevölkerung und die Ratsgremien intensiv über die geplanten Veränderungen informieren, um so eine breite Unterstützung für die Arbeiten zu erreichen. Schon seit 2016 wird das Gartentheater im August denkmalgerechter bespielt. Es sind nur noch 450 Gitterstühle aufgestellt, die auch tagsüber die Strukturen des Amphitheaters erkennen lassen. Die wechselnden Gastspiele haben keine größere Bühnenausstattung und werden in der Regel nach den Vorstellungen komplett abgeräumt. So sollen die Tagesgäste des Großen Gartens möglichst ungestört das Heckentheater erleben können.
Mit der Rückführung des Theaterbosketts auf seinen ursprünglichen Zustand würde dieses weltweit erste Zeugnis eines ›echten‹ Gartentheaters fast wieder so wie im späten 17. Jahrhundert erlebbar sein.
Abbildungsnachweise
Abb. 1 | Hessisches Staatsarchiv, Marburg / Lahn. |
Abb. 2, 5, 8 | Aus: Dittloff + Paschburg Landschaftsarchitekten, Entwicklungskonzept für das Theaterboskett im Großen Garten Hannover-Herrenhausen. Hamburg, 2009. |
Abb. 3, 4 | Historisches Museum Hannover. |
Abb. 6 | Foto: Nik Barlo jr. |
Abb. 7 | Foto: Herrenhäuser Gärten. |
Abb. 9 | Foto: Ekkehard Fiss. |
Literatur
Alvensleben 1929: Alvensleben, Udo von: Herrenhausen. Die Sommerresidenz der Welfen, Berlin 1929.
Alvensleben / Reuther 1966: Alvensleben, Udo von; Reuther, Hans: Herrenhausen. Die Sommerresidenz der Welfen, Hannover 1966.
Dittloff + Paschburg Landschaftsarchitekten: Entwicklungskonzept für das Theaterboskett im Großen Garten Hannover Herrenhausen, Hamburg 2009 (unveröffentlichtes Typoskript).
Hennebo / Schmidt 1978: Hennebo, Dieter; Schmidt, Erika: Das Theaterboskett. Zu Bedeutung und Zweckbestimmung des Herrenhäuser Heckentheaters, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 50/1978, S. 213–274.
Herrenhäuser Gärten Hannover (Hg.): … prächtiger und reizvoller denn jemals … – 70 Jahre Erneuerung des Großen Gartens. Ausstellungskatalog, hg. von der Landeshauptstadt Hannover, Herrenhäuser Gärten, Hannover 2007.
Herrenhäuser Gärten Hannover (Hg.): Venus, Faune und Fechter. Die Goldenen Figuren im Heckentheater. Herrenhäuser Gärten, Hannover 2009.
Meyer 1966: Meyer, Karl Heinrich: Das Gartentheater zu Herrenhausen, in: Hannover. Hefte aus der Landeshauptstadt Niedersachsens 1/1966, S. 5–12.
Meyer 1934: Meyer, Rudolf: Hecken- und Gartentheater in Deutschland im XVII. und XVIII. Jahrhundert (= Die Schaubühne, Bd. 6), Emsdetten 1934.
Morawietz 1981: Morawietz, Kurt (Hg.): Glanzvolles Herrenhausen. Geschichte einer Welfenresidenz und ihrer Gärten, Hannover 1981
Palm 2006: Palm, Heike: Die Geschichte des Großen Gartens, in: König, Marieanne von (Hg.): Herrenhausen. Die Königlichen Gärten in Hannover, Göttingen 2006, S. 17–42.
Palm 2007: Palm, Heike: Das Theaterboskett des Großen Gartens in Hannover-Herrenhausen, Geschichte und historische Zuordnung des Bestands. Studie im Auftrag der Landeshauptstadt Hannover, Herrenhäuser Gärten, Hannover 2007.
Schmidt 2011: Schmidt, Heike: Wenn die Macht die Muse küsst: Venezianischer Karneval im barocken Hannover, Hannover 2011.
Wernicke 1937: Wernicke, H.: Die Wiederherstellung der Herrenhäuser Gärten, in: Hauptstadt Hannover (Hg.): Die Herrenhäuser Gärten zu Hannover – Zur Feier ihrer Erneuerung am 13. Juni 1937, Festschrift, Hannover 1937, S. 53–73.
Das Theaterboskett im Großen Garten Hannover-Herrenhausen1
Historische Einordnung
Elemente des Theaterbosketts und ihre Raumwirkungen in der Barockzeit
Veränderungen der Elemente des Theaterbosketts und ihre Raumwirkungen
Analyse der Veränderungen im Theaterboskett
Vorgaben für ein Entwicklungskonzept
Ausblick
Abbildungsnachweise
Literatur