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Die Alte Aula der Universität Heidelberg
Neuer Glanz in Alter Aula
Die Renovierung zur 600-Jahr-Feier 1986
Letizia Mancino-Cremer
Für die 600. Jahresfeier der Universität 1986 wurde die Renovierung der Alten Aula unter dem Rektorat von Prof. Dr. Gisbert Freiherr zu Putlitz beschlossen. Der damalige Kanzler Dr. Siegfried Kraft hatte den entscheidenden Anstoß gegeben, diesen ehrenwürdigen Raum in seiner ursprünglichen Form aus dem Jubiläumsjahr 1886 zu restaurieren (Abb. 1).
Es war eine Entscheidung, die der Aula der Alten Universität ihren alten Glanz zurückgeben sollte. Man erkannte, dass ohne die Kandelaber und Wandleuchter, die einst die Galerien des Auditoriums flankierten, die Alte Aula ihre Funktion als Ort der Feierlichkeit nicht hätte wieder gewinnen können. Ihre Dominanz im Raum durch die funkelnden Lichtquellen, durch Schmuck und Ornamente war sicherlich nicht als nur als rein funktionelle, technische Einrichtung konzipiert worden. Die aufwändigen Anfertigungen lassen vielmehr auf eine Wirkung schließen, die über die reine Funktion hinausgeht. So waren sie Träger des Lichts, der Vernunft, in dem Raum, der das Herz der Universität repräsentiert.
Mit der Beleuchtung wurde auch versucht, die Bestuhlung der Alten Aula in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen: Die ursprüngliche war nicht mehr vorhanden, und der später eingebaute Bestand war nicht nur stark verbraucht, sondern wirkte auch wie ein Fremdkörper in dem Ensemble.
Während von den alten Stühlen noch ein Fragment übrig geblieben war, das sich für die Rekonstruktion als sehr nützlich erwies, wurde von allen Originalleuchtern, die einst die Alte Aula der Universität schmückten, kein einziges Exemplar wieder aufgefunden. Daher war die Rekonstruktion der alten Beleuchtung lediglich auf der Basis von alten Fotos (Abb. 1) möglich.
Fotodokumentationen aus den Jahren 1896 (Karl Lange), 1903, 1928 und 1983 ermöglichten es, die Geschichte der Kandelaber und Leuchter in der Alten Aula nachzuvollziehen. Entworfen für die 500. Jubiläumsfeier der Universität Heidelberg, verschwanden sie im Laufe eines Jahrhunderts aus diesem Raum. Während man die Wandleuchter ganz aus der Aula entfernte, wurden die Kandelaber im Zuge des 1924 auch in der Alten Aula erfolgten Austauschs der Gasbeleuchtung durch eine elektrische Beleuchtung entscheidend verändert: Die drei Arme wurden entfernt und die obere Lampe mit der Halterung wurde an die Elektrifizierung angepasst. In einem Foto aus dem Nachlass von Max Wolf von der ersten Sitzung der 28. Versammlung der Astronomischen Gesellschaft im Jahre 1928 sowie auf einem Foto von R. Kellner in „Ruperto Carola“ 1931 ist diese Änderung sehr deutlich zu sehen (Abb. 2).
Nach der Entfernung der Arme, die wahrscheinlich abgeschraubt wurden, blieb von den vier ursprünglichen Lichtquellen an jedem Kandelaber lediglich eine übrig. Nach dieser Reduzierung der Lichtquellen an den Galerien wurde die dann unzureichende Beleuchtung in dem großen Saal mit Hängelampen an der Decke ergänzt. Die Fotos aus dem Jahr 1928–1931 zeigen eine doppelte Reihe von zierlichen Lampen, die an der Decke der Aula angebracht worden waren. Aus denkmalpflegerischer Sicht hat die Elektrifizierung zu einer wesentlichen Veränderung des ursprünglichen künstlerischen und räumlichen Bildes der Alten Aula beigetragen.
Mit der Fertigstellung der Neuen Universität samt ihrem großen Auditorium verlor die Alte Aula immer mehr an Bedeutung. Der weitere Zerfall des künstlerischen Bildes der Alten Aula wird von einem Anfang der 80er Jahre abgedruckten Foto dokumentiert (Abb. 3). Die Aufnahme zeigt eine Reihe von bescheidenen und relativ plumpen Lampen, die von der Decke der Alten Aula herabhängen. Die alte Bestuhlung des Saals, des alten ehrwürdigen Auditoriums, ist nicht mehr vorhanden. Nachdem es zuvor auch Bänke gab, wie die Fotoaufnahmen von 1928 und 1931 zeigen, ähneln die Sitze, welche die alten Stühle ersetzten, nun denen in einem Kinosaal. Dieser Zustand war der Ausgangspunkt für die Renovierung, die für die 600. Jahresfeier der Universität unternommen wurde.
Wie erwähnt, war die Rekonstruktion dieser Gegenstände auf Fotodokumentationen angewiesen. Besonders relevant war dabei jene aus dem Jahre 1903, als die Universität Heidelberg bald nach dem 500. Gründungsjubiläum das 100. Jubiläum ihrer Reorganisation als Badische Landesuniversität beging (Abb. 10 im Beitrag Hawicks).
Eine sehr wichtige Information über den Produktionsort der alten Leuchter und Kandelaber enthält die „Illustrierte Fest-Chronik der V. Säkular-Feier der Universität Heidelberg 1886“ mit dem Abdruck einer Liste der an der Renovierung der Alten Aula beteiligten Firmen – darunter „L.A. Riedinger“ aus Augsburg, welche für das 500. Jubiläum der Universität Heidelberg den Auftrag bekommen hatte, die Beleuchtung der Alten Aula mit Gastechnik zu erneuern. Die „L.A. Riedingersche Maschinen-Bronzenwarenfabrik“ war ein für die damalige Zeit großes und auf diesem Gebiet innovatives Unternehmen und beschäftigte in den 1870er Jahren allein in Augsburg mehr als 400–500 Arbeiter. Zu den bedeutenden von dieser Firma hergestellten Kunstwerken zählte auch der Kronleuchter im Zuschauerraum der Bayerischen Staatsoper in München.
Auch die Originale der Leuchter und Kandelaber der Alten Aula der Firma Riedinger zeigen eine hohe künstlerische Qualität. Auf den Seitengalerien der Alten Aula waren insgesamt 14 Kandelaber aus Bronze mit drei Armen und 14 Wandleuchter aus Bronze mit 4 Armen aufgestellt. Die Kandelaber waren auf einem kleinen Holzsockel befestigt. Die Breite der Arme betrug ein Drittel der Höhe. Sie wirken wie schön-gegliederte, lichttragende Bronzeskulpturen. In der Achse unter jedem Kandelaber befand sich ein 120 cm hoher Armleuchter, der durch einen senkrechten Armträger von 45 cm und einen Winkel an der Holzwand befestigt war. Sie erzeugten eine rhythmische räumliche Teilung der Alten Aula durch ihre vier über den Seitenbänken schwebenden, 80 cm breiten Arme. Ihr Licht verlieh dem Raum große Pracht und Feierlichkeit.
Die Kandelaber auf den Galerien waren in zwei Gruppen von 4 und 3 an den Seiten der Balkone, die von Volutenkonsolen getragen waren, aufgeteilt. Diese asymmetrische Anordnung wird aber kaum wahrgenommen: Sie erhöht den Reiz der Alten Aula, die sonst überwiegend durch eine strenge Symmetrie der Bauelemente und Einrichtungen geprägt wird. Kandelaber und Wandleuchter wirken auch durch ihre guten Proportionen und fügen sich in hervorragender Weise in den Raum.
Der Name des Künstlers, der die aufwendige und kunstvolle Beleuchtung der Alten Aula entworfen hat, ist unbekannt; aber es wäre wohl denkbar – angesichts der Größe und Bedeutung der Firma –, dass diese über ein eigenes Atelier mit Technikern und Designern verfügte, um die technische und künstlerische Gestaltung der Beleuchtung zu entwerfen.
Diese Vermutung wird auch dadurch gestärkt, dass Professor und Oberbaurat Josef Durm, der die Oberleitung der Renovierung für das Jubiläum 1886 übernahm, keinen besonderen Namen eines Künstlers erwähnt, wie es für die Wand- und Deckenmalereien sowie Bronzenskulpturen überliefert wurde. So bleibt es bei der in der Festchronik von 1886 festgehaltenen Information: „Kandelaber und Lüfter von L.A. Riedinger (Augsburg)“.
Denkbar wäre auch, dass die Leuchter und Kandelaber der Alten Aula aus einem Gesamtmusterkatalog der Fabrik als ‚Fertigware‘ ausgewählt und bestellt worden waren. Diese Möglichkeit kann nicht ausgeschlossen werden und hätte eine Berechtigung, denn die ganzen für die Renovierung veranschlagten Kosten waren nicht allzu hoch angesetzt: Das Land (das Großherzogtum Baden) hatte verordnet, dass die neue Ausstattung nicht „ins Luxuriöse“ ausufern sollte. Im Italienischen gibt es den Spruch „Fare una buona figura, senza spendere troppo“! (Eine gute Figur machen, ohne zuviel auszugeben).
Die Planung für die Beleuchtung war dem Gesamtentwurf für die Renovierung von Josef Durm unterworfen. Es wäre kaum vorstellbar, dass er für die Herstellung der Beleuchtung nicht die wichtigen Angaben, wie die Position, Dimension, Höhe, Zahl der Bestückungen etc. geliefert hätte. Dies Verfahren ist noch heutzutage üblich für einen Architekt, der sich nur mit dem gesamten Konzept zu befassen hat und gerne den spezialisierten Firmen die Details der Ausführung überlässt.
100 Jahre später erwies sich die Rekonstruktion der Kandelaber und Leuchter als problematisch. Es fehlten nicht nur die Originale der Leuchter, sondern auch Zeichnungen der tatsächlich ausgeführten Leuchter – die erhaltene Entwurfszeichnung vom Juli 1885 aus der Feder von Josef Durm weicht jedenfalls deutlich davon ab (Abb. 4).
Das Format der überlieferten Fotos war zudem relativ klein und die vorhandenen Bilder zeigen nur eine Gesamtaufnahme der Alten Aula. Die Auflösung der Kandelaber war daher sehr beschränkt. Diese Fotos waren jedoch eine notwendige Vorlage für die Rekonstruktion der gesamten Höhen und Breiten der Kandelaber und Leuchter, aber unzureichend für die Details. Es war also notwendig, Vergrößerungen eines dieser Fotos anzufertigen, um diese genauer betrachten zu können. Die Fotos waren allerdings nicht scharf genug: Ohne die Hilfe einer Vergrößerungslupe wäre es daher nicht möglich gewesen, die einzelnen Elemente der Kandelaber und Leuchter zu zeichnen. Es gab im Universitätsbauamt zwar einen Versuch, eine 1:1-Zeichnung anzufertigen, man entschied sich aber, das Projekt dem Architekturbüro Schröder/Stichs zu übergeben. Auch diese Architekten erkannten bald, dass für die Rekonstruktionsaufgabe eine Spezialisierung in Denkmalpflege notwendige Voraussetzung war; so erhielt ich – als promovierte Architektin aus Rom mit dieser Spezialisierung und seit 1984 in diesem Architekturbüro tätig – diesen wichtigen Auftrag.
Die Besichtigung der Alten Aula ist mir auch nach 30 Jahren in bester Erinnerung geblieben. Sie war nahezu vollständig in Dunkel gehüllt, die Läden waren geschlossen und mir schien sie wie eine gute altmodische Stube, die nicht mehr benutzt wird. Als ich dort in Begleitung des damaligen Leiters des Universitätsbauamts weilte und versuchte, mir den fremden Raum mit römischem Geschmack in seiner würdevollen Erscheinung vorzustellen, kam unerwartet der damalige Rektor Gisbert zu Putlitz in die Aula hinein. Ich wurde ihm gleich vorgestellt: „Eine Ausländerin, die für uns die Kandelaber zeichnet“ – das Ergebnis waren zwei großformatige Rekonstruktionszeichnungen im Maßstab 181 cm × 75 cm (Kandelaber) und 188 cm × 98 cm (Wandleuchter) als Vorlagen für die noch heute in der Aula vorhandene Beleuchtung [ (Abb. 5) und (Abb. 6)].
Neuer Glanz in Alter Aula
Die Renovierung zur 600-Jahr-Feier 1986